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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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schaute zu den Sitzen, auf denen sich der Wald ausbreitete. »Denn ist es nicht die Liebe, die unser aller Leben so lebenswert macht?« Sie zwinkerte Emily zu. »Lilith und Lucifer haben einander geliebt bis in den Tod. Ja, die Liebe gibt unserem Dasein den Sinn. Das gilt auch für Götter. Sie macht die Ewigkeit lebenswert. Und gefährlich.« Wissend musterte sie Emily und Adam. Bot ihnen einen Platz in einer der vorderen Reihen an. »Ihr beiden könnt Euch glücklich schätzen, einander gefunden zu haben.« Sie seufzte. »Doch Liebende haben es schwer in der Cité lumière, wie Euch nicht entgangen sein dürfte.«
    Emily, der die Anspielung peinlich war und die sich Mühe gab, den Jungen an ihrer Seite nicht anzusehen, ahnte, worauf die Katzengöttin hinauswollte. »Ihr meint die Friedhöfe?«
    Die Sphinxe waren nunmehr zur Ruhe gekommen, und während Emily mit der Katzengöttin sprach, sahen sie sich den Film an, in dem das Tier in sein Schloss zurückkehrte und darauf wartete, dass der Händler seine schöne Tochter Belle zu ihm brachte.
    »Die Friedhöfe sind der Acker, der sich von Liebe ernährt. Ja, nicht umsonst nennt man Paris die Stadt der Liebe.« Es klang spöttisch. Boshaft. Mit einem Unterton von abgrundtiefer Traurigkeit. »Wie Ihr sicherlich wisst, ist jede Stadt ein fühlendes Wesen. Sie atmet und träumt und ernährt sich von den Dingen, die in ihren Straßen geschehen. Eine Metropole ist ein Wesen, das fühlt und leidet. Und wie Ihr wisst, ist dieses Wesen nicht frei von niederen Gefühlen.« Emily erinnerte sich an die Dinge, die Anubis ihr seinerzeit in London erzählt hatte, in der Cafeteria des Britischen Museums. »Boshaftigkeit, Furcht, Niedertracht, Rachsucht, Eifersucht. Ausscheidungen gleich sickern diese in den Boden, und es ist, als würde diesen niederen Gefühlen eine Gestalt verliehen: In einer Kreatur, die alles Übel in sich aufsaugt und, wenngleich sie jenes Übel auch personifiziert, die Stadt davor bewahrt, zum Opfer der eigenen Niedertracht zu werden. Ja, eine Metropole kann nur fortbestehen, wenn sie auf der Existenz eines Wesens errichtet worden ist, das jene Bürde auf sich nimmt.«
    Wie in London, dachte Emily und sagte: »Ich weiß, wer der Nyx ist.«
    »Doch sind nicht alle niederen Gefühle nur Kinder der Liebe? Ist es nicht die Liebe, die jenen Waisenkindern, die Rachsucht, Niedertracht und Eifersucht heißen, das Leben schenkt? Die Menschen andere Menschen hassen und sogar töten lässt. Die Liebe, meine Gäste, ist das ursprünglichste aller Übel der Welt.«
    Adam, der neben Emily saß, warf ihr von der Seite einen Blick zu.
    Bastet fuhr fort: »Am Anfang, solltet Ihr wissen, war das Nichts, das das Chaos gebar. Und aus dem Chaos wurden zwei Wesenheiten erschaffen.« Sie fauchte eine Sphinx an, die über die Sitzplätze sprang. Dann wendete sie sich wieder Emily zu. »Hemera, der Tag, und Nyx, die Nacht. Sie sollten Herrscher sein. Keine Untergebenen. Gleichgestellt dem Träumer, der alles erschaffen hatte. Man erzählt sich, dass Hemera und Nyx, von Selbstsucht und Wollust getrieben, eine Nachkommenschaft zeugten. Schlimmer noch, sie taten dies, ohne den mächtigen Träumer um Erlaubnis zu bitten. Erzürnt verbannte dieser Hemera und Nyx sowie deren Brut in die Tiefen der Erde, wo sie fortan ihr Dasein fristen mussten. Die Brut der beiden wurde über den ganzen Erdball verstreut. Dort, wo ihre Nachkommen lebten, entstanden im Laufe der Jahrhunderte die großen Städte. In Scharen zog es die Menschen an jene Orte. Natürlich wusste niemand, warum die Siedlungen, die wuchsen und wuchsen und schließlich zu Metropolen wurden, gerade an jenen Orten gediehen. Die Menschen folgten einfach nur ihren Instinkten. Glaubt mir, die Menschen spürten insgeheim, dass etwas dort lauerte, das all den Hass und die Bosheit aufsaugte. Jede Metropole dieser Erde ist auf der Existenz einer solchen Kreatur errichtet worden. Oder wie erklärt Ihr Euch sonst, dass so viele Menschen so unbeschadet auf so engem Raum miteinander leben können? Natürlich gab es – und gibt es immer noch – Mord und Totschlag. Doch stellt Euch vor, wie die Welt aussehen würde, wenn die Brut nicht unter uns lebte.«
    Emily kannte diese Geschichte bereits. Anubis hatte sie ihr vor Jahren erzählt. Doch fragte sie sich, worauf Bastet hinauswollte. Was hatte dies alles mit den Dingen zu tun, die derzeit ihre Schatten über London warfen? Wo war der Zusammenhang zu Ghulchissar und Carathis, Lucifer und

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