Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith
zugetragen hatten. Jenen Geschehnissen, die Adam Stewart unter dem Namen kannte, der den meisten Menschen geläufig war: die Manderley-Krise.
Und Emily Laing, in deren Adern das Blut derer von Manderley floss, machte kein Hehl daraus, wie sehr es ihr missfiel, dass der Name des Hauses, dem ihre Mutter angehörte, nunmehr namensgebend war für die blutigen Auseinandersetzungen, die London seinerzeit beinah zerrissen hätten.
Sie berichtete Adam von den Whitechapel-Aufständen und der Verschwörung gewisser Ratten, von Mièville und Dinsdale und ihrer aller Abstieg in den Abgrund, der sich neben der Hölle aufgetan hatte. Und von dem Wesen, das seit Jahrtausenden an der Stelle lebte, an der später London entstanden und zu der Stadt der Schornsteine angewachsen war.
»Mièville war ein treuer Gefährte, damals.« Sein Schicksal lag nun im Dunkeln.
»Glaubst du, dass Bastet uns wirklich helfen wird?«
Dinsdale murmelte etwas, das wie eine elektrische Entladung im schwer verständlichen Manchesterdialekt klang.
Er war eben ein Pfadfinder und sollte Recht behalten.
Nahe den
égouts de Pigalle
stellte sie ein Rudel Sphinxe und umringte sie mit fauchenden Gebärden. Geschmeidige Katzenwesen waren es, mit hellem und teilweise auch gestreiftem Fell, die buckelten und jeden Eindringling, der in die
comté
der Bastet vorzudringen wagte, wachsam begutachteten. Ihre Gesichter waren menschenähnlich, flach und mit Nasen, die keine Katzennasen waren. Die filigranen Schwingen, die den Rücken entwuchsen, ließen eine entfernte Verwandschaft mit den Kolibris erahnen.
»Folgt uns!«
Ein leises Schnurren war es.
Sanft und doch befehlend.
Dann stellten sich die Sphinxe ihnen höflich mit Namen vor.
Die Anführerin der Sphinxe, die das Gesicht eines Harlekins hatte, hieß Ipy. Ihre eine Gesichtshälfte war ein sandfarbenes Gelb, die andere ein leuchtendes Orange. Wie ihre Herrin so trugen auch die Sphinxe silberne Nasenringe. »Bleibt bei uns, denn Bastet erwartet Euch schon.« Das Harlekingesicht lächelte breit. »Es riecht heute anders als sonst in dieser Gegend. Wir sollten vorsichtig sein.«
»Ich bin Emily Laing«, stellte Emily sich vor.
»Adam Stewart.«
Dinsdale summte etwas, das sich sehr höflich und gesittet anhörte.
Lady Mina indes kroch tief in die Manteltasche und zitterte am ganzen Leib. Wie sich herausstellen sollte, war die Vorsicht nicht unangebracht.
»Das Rattentier«, fauchte Ipy nämlich, »ist nicht willkommen.«
»Sie ist meine Freundin«, war Emilys Antwort.
»Ihr Name ist Lady Mina.« Adam trat zwischen sie und die Sphinx.
»Ihr gebt den Ratten Namen?«
Sphinxfauchen erklang von allen Seiten.
Bis Ipy einen Befehl aussprach in der schnurrenden Sprache der Sphinxe.
»Lasst uns gehen«, forderte sie das Mädchen und den Jungen dann auf, »und nehmt das Rattentier mit, wenn es Euch beliebt.«
So folgten sie den Sphinxen.
»Ihr seid also zu mir gekommen«, begrüßte sie schließlich die Katzengöttin im Zentrum ihrer
comté
, das ein Kino war. »Den Gargylen habt Ihr demnach entkommen können. Das ist gut.« Bastet lächelte das verschlagene Lächeln einer Katze. »Und nun seid Ihr zu mir gekommen, weil einige Fragen Euch bedrängen.« Es war eine Feststellung.
»Wir benötigen Eure Hilfe, Lady Bastet«, sagte Emily und verbeugte sich.
Schon vorher war sie Gottheiten und Engeln begegnet, doch jedes Mal durchfuhr sie erneut ein Gefühl, das man als hoffnungslose Resignation bezeichnen mochte. Angesichts der Ewigkeit, die für jene Wesen verstreichen mochte, wie es ein einziger Tag für Emily tat, was konnte man als Menschenmädchen da schon ausrichten?
»Ihr seid dem Lordkanzler von Kensington wohl bekannt«, stellte Bastet schnurrend fest, und es klang, als meine sie dies durchaus als Kompliment.
»Wir sind auf der Suche nach denen, die in den Fegefeuern verschwunden sind. Und da gibt es noch meine Freundin, Aurora Fitzrovia, die sich im Gewahrsam eines Mannes befindet, der uns unter dem Namen Dr. Dariusz bekannt ist.«
Adam, der schweigend neben Emily stand, betrachtete den Kolibri, der vor seinem Gesicht in der Luft schwebte und in dessen Gefieder die bunten Farben des warmen Südens schimmerten.
Dinsdale, der den Kolibris, die in den Logenplätzen und hölzernen Wandvertäfelungen ihre Nester zu haben schienen, offenbar überaus freundlich gesonnen war, hatte sich sofort nach der Ankunft in der Residenz der Katzengöttin gedimmt.
Denn die Welt, in der Bastet lebte, war weiß, wie
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