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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Geschehens in der Wüste Nefud aufgehalten hatte, eilte herbei, um seine Geliebte zu retten. Als er eintraf, konnte er nurmehr bezeugen, dass man sie in einer tiefen Kammer der Königsgrabstätte beigesetzt hatte. Tag und Nacht wurde die Kammer von der Leibgarde des Pharaos bewacht.
    Und al-Vathek verzweifelte. In einem waghalsigen Unterfangen versuchte er Nefer-titi zu befreien. Die Wachen entdeckten ihn, und auch er endete im Kerker.
    Der Pharao und seine Priester erkannten in ihm den Komplizen jenes Geschöpfes, dessen qualvolle Schreie man in der Nacht noch immer aus der Tiefe des Grabes hören konnte, jedoch gelang ihm die Flucht. Er drang in den Verstand der Wachen ein und entkam durch diese List.
    »Statt seiner wurde also tatsächlich ein Wachmann dem Grab übergeben«, folgerte ich.
    Miss White nippte am Tee. »Der arme Kerl. Es sind seine Knochen, die da unten in KV55 liegen.«
    »Al-Vathek gelang die Flucht.«
    »Ja.«
    »Der Rest der Geschichte ist demnach wahr?«
    »Sie sagen es.«
    Al-Vathek bereiste Europa und folgte den Spuren der rätselhaften Carathis, die er zu finden hoffte. Er verfasste die Reiseberichte, und kaum eintausendfünfhundert Jahre später traf er auf uns, die Geschwister Holland.
    Welch ein Irrsinn!
    »Doch was erhofft er sich von den Grabungen?«, fragte ich. Hatte Miss White vorhin nicht eine Befürchtung geäußert bezüglich des Falles, dass wir das Grab wirklich finden würden?
    »Sie sind doch klug, mein Kind«, entgegnete sie. »Sagen Sie mir, was unser Freund beabsichtigt.«
    Ganz heiß wurde mir bei dem Gedanken. Konnte dies wirklich sein? War es möglich, dass noch Leben in dem Körper war? Nach all den Jahrhunderten? Es schien Miss White keine Mühe zu machen, in meinem Gesicht zu lesen. Trotzdem musste ich es in Worte fassen. »Er glaubt, dass sie noch lebt. Nefer-titi. Er möchte sie retten. Nach all den Jahrhunderten möchte er wieder mit ihr vereint sein.«
    Eine Augenbraue hob sich skeptisch. »Sie enttäuschen mich, Eliza. Denken Sie nach. Warum hätte unser Freund all die Jahre warten sollen? Wäre es nicht einfacher gewesen, sie kurze Zeit nach ihrer Beisetzung zu befreien?«
    Ich kam mir dumm vor. Natürlich, das wäre die bessere Alternative gewesen. Doch was führte al-Vathek dann im Schilde?
    »Ist es denn möglich?«, fragte ich zaghaft.
    »Dass sie noch lebt?«
    Ich nickte nur.
    »Mein Kind, das tut sie.« War es Angst, die ich in den blauen Augen erkannte? »Doch stellen Sie Sich vor, was mit ihr geschehen ist. In all den Jahren. Wovon hätte sich ihr Körper ernähren sollen? Von Lebewesen, denen es gelang, in den Sarkophag zu kriechen?« Der Gedanke war Ekel erregend. »Sie wissen doch genau, was geschieht, wenn ein Wiedergänger unreines Blut trinkt.«
    Sie hatte mir davon berichtet. Man erkrankt, wird fiebrig. Doch stirbt man nicht, wie es die Vrolok tun. »Aber wie kann sie dann noch leben?«
    »Wie kann
es
noch leben«, verbesserte sie mich. »Ihr Körper stirbt nur langsam. Er trocknet aus. Jedoch wissen wir, dass dieser Vorgang sehr lange dauern kann. Es wäre möglich, dass sie tot ist. Ja. Es wäre aber auch möglich, dass noch Leben in dem ausgemergelten Körper ist.« Sie sah mich bedeutungsvoll an.
    Ich ahnte, was geschehen würde, wenn jemand den Sarkophag finden und öffnen würde.
    »Sagen Sie mir, Eliza, wovon sollte sich in all den Jahren ihr Geist ernährt haben?«
    »Das ist unvorstellbar.« Meine Stimme zitterte.
    »In der Tat, das ist es. Dunkelheit. Insekten. Geräusche. Womit beschäftigt sich der Verstand in all den Jahren? Mit der Einsamkeit? Der Philosophie? Rachegelüsten?« Die Blässe unter Miss Whites Schminke trat nun deutlich zutage. »Allein darüber nachzudenken, kann einen schon in den Irrsinn treiben.«
    »Vielleicht ist sie erstickt?«, mutmaßte ich. »Oder jemand hat sie bereits befreit.«
    »Unmöglich«, verwarf sie meine Gedanken. »Die Grabräume sind durch Schächte mit der Oberfläche verbunden. Sie kann atmen. Und wenn sie jemand befreit hätte, dann wäre uns das nicht verborgen geblieben.«
    Der sich leicht im Wind bewegende Wüstensand erfüllte mich mit plötzlicher Furcht. Irgendwo im Tal oder dem Wadi dahinter existierte dieses Wesen. Noch immer. Nach all den Jahrhunderten.
    »Welche Kreatur werden wir dort unten finden?«, fragte ich ängstlich.
    Miss White antwortete leise: »Ein Kreatur, die unberechenbar ist.« Ihr Atem ging unruhig, und die Tatsache, dass das Vorhandensein eines solchen Wesens einen

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