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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Staub der Wüste war unsere zweite Haut geworden.
    Es hätte ewig so weitergehen können.
    Doch endete es am 5. November 1922.
    Wenngleich Ägypten in diesem Jahr von schweren Revolten und dem Willen zur Unabhängigkeit erschüttert wurde (was die Einstellung gegenüber den britischen Gästen nicht unbedingt verbesserte), so ließ sich Carter dennoch nicht beirren und verfolgte starrsinnig seine archäologische Arbeit. Wir gruben auf dem Niveau des Grabes von Ramses VI. und hofften durch das Abtragen der ramessidischen Überbleibsel neue und vor allem ältere Fundamentalablagerungen zu finden.
    Am Morgen des 5. November dann war es so weit.
    Als wir die Ausgrabungsstätte erreichten, herrschte eine ungewöhnliche Stille, und es war uns allen augenblicklich klar, dass diese völlige Abwesenheit von Lärm, Liedern und Worten nicht normal war.
    »Wir haben eine Stufe freigelegt«, kommentierte einin höchstem Maße aufgeregter Ahmed Gurgar. »Als wir weitergruben, entdeckten wir elf weitere Stufen und eine massive Tür.« Die Stufen, so stellte sich heraus, waren wohl geformt gehauen und ließen auf eine Gruft von guter Qualität hoffen.
    Carter ließ ein Loch in die Tür bohren und entdeckte auf der anderen Seite einen Gang. »Fantastische Entdeckung im Tal. Ein herrliches Grab mit ungebrochenem Siegel«, telegrafierte er umgehend nach Highclere Castle. Bis zur Ankunft Lord Carnarvons musste das Grab gesichert werden. Um Diebe zu vertreiben, wurden Wachmannschaften eingeteilt, die die Order erhielten, auf jeden zu schießen, der versuchen sollte, in die Gruft zu gelangen.
    Am 26. November dann ließ Carter in Anwesenheit Lord Carnarvons die Tür vollständig freilegen, und wir entdeckten das Siegel der Nekropole und einen deutlich lesbaren königlichen Ziertitel: Tut-ankh-Amen.
    »Wir sind am Ziel«, freute sich Howard Carter, dessen Gefühle sich auf dem Höhepunkt befanden. Doch nach einer aufmerksameren Untersuchung der massiven Tür kühlte diese Hochstimmung ein wenig ab. Tom fand einen Hinweis darauf, dass die Tür geöffnet und dann erneut versiegelt worden war. »Das würde bedeuten«, mutmaßte Carter, der die Enttäuschung nicht verbergen konnte, »dass bereits früher Diebe in das Grab eingedrungen sind.«
    Mit Schaudern dachte ich daran, dass dies nicht das Werk gieriger Grabräuber war. Man hatte Nefer-titi in dieser Gruft eingeschlossen, nachdem der Pharao bereits beigesetzt worden war.
    Hinter der Tür befand sich ein fünfzehn Fuß langer Korridor voller Schutt. Es dauerte zwei Tage, diesen Gang zu leeren und die gefundenen Fragmente zu katalogisieren und zu verpacken. Eine zweite versiegelte Tür lag am Ende des Korridors. Als wir diese erreichten, durchstießen wir sie, und Carter spähte mithilfe einer zusammengebastelten Beleuchtung ins Dunkel dahinter.
    »Können Sie etwas erkennen?«, fragte Lord Carnarvon voller Ungeduld.
    »Ja«, antwortete Howard Carter mit brüchiger Stimme. Er schien sich in einem Schockzustand zu befinden. »Ich sehe fantastische Dinge. Mein Gott, ich kann es kaum glauben.«
    Nach und nach blickten wir alle durch die schmale Öffnung in der Tür. Was wir da sahen, hätten auch wir uns in den kühnsten Träumen nicht auszumalen vermocht. Der dunkle Raum hinter der Tür war angefüllt mit eigenartigen Figuren, fantastischen Tieren und großen Statuen sowie einer unglaublichen Anzahl von wertvollen Objekten, die alle vollkommen unbeschädigt wirkten.
    »Das ist wahrlich der größte Schatz«, murmelte Lord Carnarvon, »der jemals in Ägypten entdeckt worden ist.«
    In aller Augen leuchtete die Begeisterung. In allen, mit Ausnahme denen al-Vatheks. Was mochte es für ein Gefühl sein, an diesem Ort zu stehen? Sehnte er die alten Zeiten herbei, oder war er nur von dem Wunsch erfüllt, die einstmals geliebte Nefer-titi zu töten? Niemand außer ihm selbst vermochte dies zu beantworten.
    »Das Tal«, hörte ich Carter ehrfürchtig sagen, »hat uns ein wunderbares Geschenk gemacht. Es schenkt uns seinen schönsten und außergewöhnlichsten Besitz.« Tränen der Freude traten in seine Augen, als er sagte: »Das einzige unberührte Königsgrab.«
    Die Vorstellung konnte nunmehr beginnen.
    Das »Vorzimmer«, wie wir es nannten, begrüßte uns mit der Stimme des Grabes. Infolge der von außen eindringenden Luft gaben die Objekte höchst befremdliche Laute von sich, als ob sie aus einem dreitausend Jahre währenden Schlaf erwachten. Die Mauern des Vorzimmers waren mit Gips geweißt und

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