Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
öffnete Howard Carter die versiegelte Tür in der Nordwand des Vorzimmers. Tut-ankh-Amens Entdeckung wurde als eine Show inszeniert. Die Times berichtete darüber, und die Fotografien Harry Burtons gingen um die Welt. Howard Carter fand drei mumienförmige ineinander gestellte Sarkophage: der erste aus vergoldetem Holz, der zweite mit Goldplatten bedeckt und der dritte aus massivem Holz. Es sollte der berühmteste Fund der modernen Archäologie sein. Die Sarkophage befanden sich in einer Kapelle aus vergoldetem Holz mit eingelegtem blauem Glas. Und noch immer sind nicht alle Geheimnisse der gefundenen Darstellungen und Schriften gelüftet.
    Überschattet wurde der Fund von zwei Geschehnissen, von denen das eine Weltruhm erlangte. Lord Carnarvon wurde während der Graböffnung von einer Mücke gestochen, und es wurde gemutmaßt, dass sich die Wunde während des Rasierens infizierte. Tatsache ist, dass Lord Carnarvon nur wenig später verstarb. Außerdem sollten, so wird behauptet, in Kairo alle Lichter erloschen sein, ohne dass dies erklärbar gewesen wäre. Der Hund Carnarvons heulte wegen des Todes seines Herren und starb bald darauf.
    Der andere Zwischenfall betraf den Entdecker persönlich. Pierre Lacau erteilte Howard Carter Grabverbot und nahm als Oberhaupt des Antiquitätendienstes das berühmteste Denkmal Ägyptens in Besitz. Es kam zu weit reichenden Streitigkeiten, an deren Ende es dem Engländer dennoch erlaubt wurde, die Untersuchungen an der Grabstätte zu beenden.
    Die Fundstücke wurden dem Museum in Kairo übergeben. Allen voran die berühmte Goldmaske des Tut-ankh-Amen. Der schlecht erhaltenen Mumie entnahm man einhundertdreiundvierzig Schmuckstücke und Amulette. Nach einer eingehenden Untersuchung der Mumie bettete man diese erneut in den Sarkophag, wo sie noch heute ruht.
    Kaum Beachtung wurde hingegen dem unverzierten Sarkophag geschenkt, den man in einer der Nebenkammern des Vorzimmers fand. Das Behältnis war geöffnet worden, und die Überreste der Mumie bedeckten den Boden der Kammer. Rätselhaft blieb, wie es den Grabräubern gelingen konnte, unbemerkt in die Gruft einzudringen. Und wenngleich die Inschriften darauf hinwiesen, dass die gefundenen Überreste zur Mumie der Nefer-titi, der einstigen Gemahlin Akh-en-Atens, gehörten, so wurde dies doch aufs Heftigste von den Fachleuten bestritten. Man wusste keinen Grund zu finden, warum die ehemalige Königin, deren Tod man einstimmig auf einen früheren Zeitpunkt datiert hatte, in diesem Grab hätte beigesetzt sein sollen. Es musste, so die Fachkreise, ein Fehler in der Deutung der Schriftzeichen vorliegen. Letzten Endes jedoch blieb die Identität des Leichnams ungeklärt, und während die Welt sich lieber dem Mysterium von Lord Carnarvons plötzlichem Tod und dem heulenden Hund zuwandte, erwähnten die meisten Autoren (nicht zu vergessen Howard Carter selbst) diesen nebensächlichen Fund lediglich in einer unbedeutenden Fußnote.

Buch III
Sand

Kapitel 1
Enthüllungen

    Die Welt ist gierig, und die Masken, die wir zu tragen pflegen, erweisen sich manchmal als jene Gesichter, die aus den fließenden Sandkörnern geboren werden, die unsere Augen erst sehend machen. Lady Lilith, deren Heim die Wüstenei geworden war, harrte der Ankunft eines Waisenmädchens, das ihr Gesicht hinter der Maske zum Leben würde erwecken können.
    Und Emily Laing, die tiefer in die Hölle vorgedrungen ist als jemals ein Mensch vor ihr, steht nun vor dem leblosen Körper, der im Sand zu unseren Füßen liegt, und weiß, dass es keine Maske ist, die das bleiche Gesicht entstellt, sondern der Tod, der sich mit eisiger Hand genommen hat, was sein ist.
    »Können wir denn gar nichts tun?«, will sie von mir wissen.
    Noch bevor ich ihr die Antwort gebe, weiß ich, dass sie ihr nicht gefallen wird.
    Denn das, womit wir es hier zu tun haben, ist endgültig.
    »Fragen Sie nicht!«
    »Nach allem, was wir getan haben, muss es doch einen Weg geben.«
    Ich nehme sie bei der Hand. Sehe ihr in die Augen.
    Erkenne die Trauer, die unser aller Herzen verdunkelt.
    Doch sollte ich meiner Geschichte nicht vorgreifen.
    Lassen Sie uns also zurückkehren zur Île de la Cité und dem
Laboratoire d’Alphonse Moreau
, wo die Wege aller sich wieder trafen an jenem verhängnisvollen Nachmittag nicht lange vor Weihnachten, kurz nachdem ich aus der Hölle zurückgekehrt war.
    »Wer«, hörten wir alle die bebende Stimme flüstern, »wer bin ich?« Es war Aurora Fitzrovia, die diese Frage

Weitere Kostenlose Bücher