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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sollte.«
    »Warum«, erinnerte ich mich, »hat Akh-en-Aten die alten Götter abgeschafft?«
    Weshalb wollte er Aton als alleinige Gottheit verehrt wissen?
    Maurice Micklewhite nahm uns gegenüber Platz und beugte sich über den Tisch, wobei er eine Schriftrolle in die Hand nahm und sie vor unseren Nasen in der Luft schwenkte.
    »Die Antwort darauf«, verkündete er, »fanden wir hier. In den Beni Amran-Papyri. Die, nebenbei bemerkt, eine Leihgabe des Lordkanzlers von Kensington sind.«
    »Wurde Achet-Aton nach dem Tode Pharao Akh-en-Atens nicht von allen seinen Einwohnern verlassen?« Soweit ich mich entsann, war dies eines der großen Rätsel des Neuen Reiches.
    »Du sagst es.« Maurice Micklewhite ging ganz in seiner Erzählung auf. »Das bewirtschaftete Land, das zur Stadt gehörte, konnte etwa fünfundvierzigtausend Menschen versorgen. Nur wenige dieser Menschen tauchten aber in Theben oder anderen Ortschaften auf, nachdem der neue Pharao, Akh-en-Atens Sohn, an die Macht gekommen war. Niemand wusste, wo all die Menschen abgeblieben waren.«
    Erstaunt fragte Emily: »Sie sind einfach so verschwunden?«
    »Ja.«
    »Was also ist geschehen, Maurice?«, drängte ich ihn.
    Denn manchmal musste man ihn drängen.
    Maurice Micklewhite liebte und genoss seine eigenen dramatischen Pausen zu sehr.
    Schon immer war das so gewesen.
    »Es gab Gerüchte«, fuhr er also fort. »Gerüchte über einen Pakt, den Akh-en-Aten eingegangen war. Einen Pakt mit dem Gott Aton persönlich, damit dieser das Land vor einem Übel schützte, gegen das die Menschen machtlos gewesen wären, hätte es sich erst einmal in Theben niedergelassen.«
    Das war immerhin eine Neuigkeit.
    Bedeutsam.
    Beunruhigend.
    »Du meinst, dass Akh-en-Aten den Gott Aton persönlich gekannt hat?«
    »Nein, nicht den Gott Aton«, verbesserte mich der Elf, und seine grünen Augen funkelten.
    »Aton schickte einen Abgesandten. Davon berichten diese Papyri. Ja, du hast mich richtig verstanden, Mortimer. Der Gott Aton schickte einen Abgesandten, der vom Himmel fiel.« Er blickte in die Runde und sprach den Namen dann aus, als sei er eine Beschwörungsformel: »Ra.«
    »Ra?«
    Der widder- oder falkenköpfige Gott, dessen Haupt Sonnenscheibe und Kobra zugleich zieren?
    »Der Gott Ra ist als Person am Hofe Akh-en-Atens erschienen?«
    »Genau.«
    War dies möglich?
    »Denk nach, Mortimer«, forderte der Elf mich auf.
    Die Scherben fügten sich zu einem Spiegel zusammen, in dessen Zentrum sich, sah man genau hin, die Silhouette Londons aus dem Nebel erhob.
    »Du willst behaupten …« Ich wagte nicht, es in Worte zu fassen. Wenn dies den Tatsachen entsprach, dann würde es den Geschehnissen eine vollkommen neue Wendung geben. Der Gott mit dem Kopf eines Falken sollte am Hof des Pharaos erschienen sein? In der größten Metropole des damals mächtigsten Reiches?
    »Ra«, sagte Maurice Micklewhite endlich, »war, legen wir dem Namen seine Bedeutung zugrunde, niemand anders als der Herr des Lichts.«
    Ganz bleich wurde Emily, als sie verstand, auf wen der Elf da anspielte. »Der Lichtlord.« Ihre Worte waren nurmehr ein Flüstern.
    Der Elf nickte. »Ja, der Lichtlord. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Ra und der Lichtlord ein und dieselbe Person gewesen sind.« Der gefallene Engel Lucifer, der vor seinem Tode noch im Tower von London geherrscht hatte. »Die Papyri erzählen seine Geschichte«, sagte der Elf. »Eine Geschichte, in der von einer dunklen Stadt die Rede ist.« Der Name jener Stadt klang fremd in unseren Ohren, als Maurice Micklewhite ihn mit der Betonung der alten Sprache nannte: »Ghul-ti-sarra.«
    Und die Geschichte begann, wie jede Geschichte beginnt.
    Es war einmal …
    … ein mächtiger Pharao namens Amen-Hetep der Dritte, der auf einem seiner Feldzüge gegen Unternubien von einer Stadt namens Rub-al-Chali gehört hatte, die von den Bewohnern des grünen Landes furchtsam als Ghul-ti-sarra bezeichnet wurde. Ein Ort der Ghule, wo die Pforten zum Reich der Verdammnis weit offen stünden für jene, die einzutreten wagten. Amen-Hetep, der von diesem Feldzug seltsam bleich und kränklich nach Memphis zurückkehrte, verlor kein weiteres Wort über jenen Ort.
    »Dann brach eine Seuche aus«, berichtete Maurice Micklewhite.
    Einer Krankheit fielen die Menschen anheim, gegen die es kein Heilmittel gab. Die so schrecklich war, dass selbst die Götter keinen Rat mehr wussten.
    »Des Pharaos Sohn, Akh-en-Aten, glaubte, dass sein Vater der Auslöser jener Krankheit gewesen

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