Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith
die alten Götter kehrten aus der Einsamkeit der Wüste zurück in die Städte am Nil. Gewaltsam wurde Akh-en-Aten aus dem Reich entfernt. Namenskartuschen und Abbildungen, die ihn und Nefer-titi zeigten, wurden verunstaltet. Nichts blieb mehr von Akh-en-Aten, außer dem Ruf, ein Ketzer gewesen zu sein.
»Tut-ankh-Amen herrschte von da an«, sagte der Elf, »und hier endet die Geschichte.«
»Du sprachst von Menschen, die verschwunden sind.«
»Es gibt Andeutungen, nicht mehr. Wir können davon ausgehen, dass Achet-Aton eine Metropole von riesigen Ausmaßen war und dass nur wenige aus dem Volk ihrem neuen Pharao nach Memphis gefolgt sind. Doch bereits im zweiten Sommer der Herrschaft Pharao Tut-ankh-Amens war die Stadt vom Erdboden verschwunden. Der Wüstensand hatte sie vollständig veschlungen. Mit allem, was dort gewesen war.«
»William Petrie«, ergänzte Aurora, »hat keinerlei Knochen in den Ruinen von Achet-Aton gefunden. Nur verwaiste Grabstätten.«
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich im Lesesaal aus.
Jeder der Anwesenden dachte an die Stadt der Schornsteine und das Schicksal, das ihr wohl bevorstehen würde. Das ihr bevorstehen könnte.
Hoch oben trommelte der Regen gegen die Kuppel.
»Du glaubst, dass Achet-Aton ausgelöscht worden ist von …«
»Cara-ti-sarra.«
»Weil?«
»Ra das Land verlassen hat.«
Nachdem der Lichtlord nicht länger seine schützende Hand über die Stadt gehalten hatte, war dort etwas Furchtbares geschehen.
Der Gedanke, der sich aus dieser Geschichte ableiten ließ, war alles andere als beruhigend. »Du glaubst, dass London das gleiche Schicksal ereilen könnte?«
Maurice Micklewhite seufzte. Ausweichend antwortete er: »Dies sind die Ereignisse, die sich in Ägypten zugetragen haben.«
»Was geschah mit Tut-ankh-Amen und Ra?«
»Ra wurde vertrieben, heißt es. Das ist alles, was die Papyri berichten. Über die Regierungszeit Tut-ankh-Amens ist nur wenig bekannt. Jedoch taucht in den Papyri ein Name orientalischen Ursprungs auf. Al-Vathek.«
»Al-Vathek hat Kontakte zum ägyptischen Hof unterhalten?«
Maurice Micklewhite nickte. »Al-Vathek war ein Berater und Freund des Pharaos, und er hat in Memphis gelebt. Sein Vater Jessir al-Vathek war ein mächtiger Kaufmann und Abgesandter des Kassitenfürsten Burnaburiasch aus dem Zweistromland. Vermutlich hat Jessir al-Vathek sogar die Sonnenstadt Achet-Aton gekannt. Über sein Leben oder das seines Sohnes steht hier allerdings nicht mehr.« Maurice Micklewhite wandte sich von den Papyri ab. »Doch es gibt andere Quellen«, fuhr er augenblicklich fort, »deren man sich bedienen kann.« Er lächelte siegessicher. »Es gibt Hinweise auf al-Vathek in anderen Büchern.« Mit diesen Worten schob er einige der großen Folianten beiseite. »Da haben wir es«, murmelte er vor sich hin und klappte ein dickes, vergilbtes Buch auf.
»Römische Geschichte?« Die Frage konnte ich mir nicht verkneifen. »Dort bist du auf den Namen al-Vathek gestoßen?«
»Nein«, antwortete Maurice Micklewhite und deutete auf Aurora, die sich stolz in ihrem Stuhl aufrichtete. »Sie war es, die sich durch diesen Wälzer gequält und die interessanten Passagen entdeckt hat.« Er lächelte dem Mädchen aufmunternd zu. »Und deshalb wird auch sie diejenige sein, die uns davon berichtet.«
Damit übergab er das Wort an Aurora Fitzrovia.
»Eine ähnliche Geschichte wie die im alten Ägypten hat sich in Rom zugetragen«, begann das Mädchen, »unter einem verrückten Kaiser, der sich Elagabal nannte.«
Ein Name, der nicht unbekannt war.
Varius Avitus Bassianus.
Der bei seiner Thronbesteigung erst vierzehn Jahre alt war.
»Elagabal war ein schräger Vogel.« Aurora fand den Gedanken, dass Männer sich so verhalten konnten, wie Kaiser Elagabal es seinerzeit getan hatte, sichtlich amüsant und zugleich höchst befremdlich. »Bevorzugt kleidete er sich wie ein Mädchen, und ich glaube, er wäre auch gern eines gewesen.« Mit Goldfäden durchwirkte Tuniken habe er sich anfertigen lassen, reine Purpurgewänder und persische Mode mit Juwelenbesatz getragen. »Nicht zu vergessen die edelsteinbesetzten Schuhe.« Es war nicht verwunderlich, dass selbst die eigenen Landsleute das Verhalten ihres neuen Kaisers seltsam fanden. Er verkehrte in Bordellen und frönte ungeheuerlichen persönlichen Vorlieben. »Die hier nichts zur Sache tun«, bemerkte Aurora.
»Kommen Sie bitte auf den Punkt«, bat ich sie.
Emily warf mir einen tadelnden Blick zu.
»Elagabal
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