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Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith

Titel: Die uralte Metropole Bd. 2 - Lilith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Vanko einen Kaffee im Wintergarten zu mir nahm, »verfasste der Genueser Erzbischof Jacobue de Voraigne eine Sammlung von Geschichten über Heilige.« Er breitete den Band vor uns auf dem Tisch aus. Die dicken Seiten des Buches waren zerfranst, fleckig und vergilbt. Der Titel des Buches lautete »Legenda aurea«. Goldene Legenden. »Unter anderem beschrieb er das Leben eines italienischen Mönchs namens Benedikt von Nursia.«
    »Der heilige Benedikt«, warf Tibor Vanko ein, »der erstmals ein Regelwerk aufstellte für das Leben in einem Kloster.«
    »Genau«, stimmte Tom zu. »Was diesen Mönch für unsere Belange interessant macht, ist die Tatsache, dass er im Jahre 612 eine Reise von Florenz nach Konstantinopel unternahm und während dieser Reise inmitten des Gebirges auf ein Bauerndorf traf, dessen Einwohner an einer Krankheit dahinsiechten, die Benedikt als
Des Teufels Atem
bezeichnete.«
    Ich entsann mich der Krankheit, die Tut-ankh-Amen und die Stadt Memphis heimgesucht hatte. »Du glaubst«, fragte ich zögerlich, »dass es sich dabei um die gleiche Krankheit handelt wie in der Vathek-Geschichte?«
    »Benedikt von Nursia beschreibt, dass er, nachdem er einige Tage Rast in einem Ort namens Samokov gemacht hatte, weiter gegen Osten reiste, wo ihn die Menschen baten, seine Reiseroute zu ändern, weil ihn sein Weg an einen gottlosen Ort führen würde. Benedikt war jedoch ein wahrer Missionar und nahm die Herausforderung an, seinen Gott an diesen gottlosen Ort zu bringen. So erreichte er nach einer Tagesreise jenes Bauerndorf,
dessen Name auf ewig ungenannt bleiben soll
und das
am Fuße eines Berges lag

    »Samokov liegt ganz in der Nähe des heutigen Sofia«, sagte Tibor Vanko. »Mit dem Berg kann, sofern sich Benedikt tatsächlich nach Osten bewegte, nur einer aus der Rhodopen-Kette an der Grenze zu Makedonien gemeint sein.«
    »Die Menschen in diesem ungenannten Bergdorf«, fuhr Tom fort, »litten an einer seltsamen Krankheit.« Er sah mich an. »Und die Symptome, die Benedikt beschreibt, entsprechen exakt denen aus unserer arabischen Geschichte.« Hier übersetzte er eine Stelle aus dem Buch. »
Ihre bleiche Haut glich der eines Toten … ihre Augen waren dunkel und ohne den Glanz des Lebens … auch mieden sie das Licht des Tages, da es ihnen Schmerz bereitete … ihre Bewegungen waren die lebloser Geschöpfe, denen es an göttlichem Willen fehlt … das Haar fiel ihnen vom Kopfe, und nässender Ausschlag befiel die Haut … ihr Atem war ohne Zweifel der Hauch der Verdammnis
.« Hier endete Tom, und mit einem breiten Grinsen fügte er hinzu: »Zweifelsohne war hier der Teufel am Werk.«
    »Was unternahm Benedikt?«, fragte ich.
    »Das, was jeder gläubige Katholik unternommen hätte«, antwortete Tom. »Er betete, besprengte die Kranken mit Weihwasser und legte den Schlafenden kleine Kreuze aus Pappelholz auf die Brust. Kaum erwähnenswert, dass der Erfolg ausblieb. Benedikt jedenfalls setzte seine Reise fort und kehrte nie wieder an diesen Ort zurück, von dem er glaubte,
dass er des Teufels sei
.« Damit endete die Erzählung des Benedikt von Nursia. Weitere Informationen konnten dieser Quelle nicht entnommen werden.
    Das Wissen um jenes seltsame Dorf wurde bereits am Abend des gleichen Tages durch den Bericht eines römischen Schreibers, der auf das Jahr 550 datiert werden konnte, bekräftigt. Tibor Vanko war derjenige, der in einem Faksimile der Chroniken von St. Gallen die Abschrift eines Textes mit dem Titel »
De bello gothico
« fand. Der Autor Procopius lieferte darin eine ausufernde und detailreiche Beschreibung der Slawen und Anten.
    »Lesen Sie dies«, forderte mich Tibor Vanko auf und deutete auf eine Passage in Latein.
    Ich las: »Die Slaven und Anten stehen unter keinem Monarchen, sondern sie haben, von alten Zeiten her, eine demokratische Regierung.« Einige Stellen überflog ich. »Sie halten den Urheber des Blitzes für den einzigen Gott und alleinigen Herrn der Welt. Sie opfern ihm Ochsen und allerlei andere Tiere. Doch verehren sie auch Flüsse und Nymphen und gewisse andere Geister, denen sie ebenfalls opfern.« Dann fand ich etwas Interessantes. »Besonders Furcht erregend ist die Gestalt des Vseslaw, der um Mitternacht, in blauen Nebel gehüllt, wie ein wildes Tier seine Beute verfolgt. Sofern ein Mensch vom Vseslaw berührt wird, ist jener Arme dazu verdammt, in Finsternis zu leben, da ihm des Tages Licht flammenden Schmerz beschert.«
    »Das ist noch nicht alles«, bekannte Tibor

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