Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
nachzuhängen. Draußen fuhren keine Züge mehr, nicht zu dieser Nachtstunde.
    Ich dachte an Gustav Charousek.
    Warum, fragte ich mich, tötet ein Spuk den Besitzer des »Grünen Gesichts«? Wer mochte der Auftraggeber des Spuks gewesen sein? Wem war daran gelegen, uns in Verruf zu bringen? Das war die Frage, die wir uns stellen mussten. Konnte es sein, dass jemand von unserer Ankunft erfahren hatte?
    Lord Mushroom musste über Kontakte in Prag verfügen. Hatte er dies alles in die Wege geleitet? Es waren so viele Fragen, die einer Antwort harrten.
    Am Ende konnte ich nur hoffen, dass es Tristan Marlowe und Emily geschafft hatten, sich vor den Polizisten zu verbergen. Das Räderwerk der Justiz war in dieser Stadt nicht zu unterschätzen. Es gab komplizierte Prozesse für die geringfügigsten Verbrechen. Hatte die Bürokratie einen erst einmal in ihren Fängen, dann kam man kaum noch heraus aus diesem Sumpf. Das war Prag, war es schon immer gewesen.
    Ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit Herrn Charousek. Erst wenige Stunden zuvor war ich damals in Prag eingetroffen, als mich McDiarmid zu jener Herberge führte, die den klangvollen Namen »Das grüne Gesicht« trug. Dort hatte ein Junge an der Rezeption gearbeitet, der mir in den nächsten Wochen die Stadt an der Moldau zeigen sollte. Gustav Charousek war eigentlich derjenige gewesen, der mich mit den überaus seltsamen Gepflogenheiten dieser fremden Stadt vertraut gemacht hatte. Er wusste, dass Prag anders als andere Städte war. Dass es in den Straßen und Gassen seltsame Dinge gab. Dinge, die es gar nicht hätte geben dürfen. Wesen, Gestalten, Dinge eben. Ich war es, der ihm sagte, dass es eine uralte Metropole in London gab. Ich berichtete von den Whitechapel-Aufständen, und am Ende gestand ich ihm sogar, weswegen ich nach Prag gekommen war. Ja, er kannte die Geschichte um Rima Wittgenstein, und es war Gustav Charousek, der mich in den Wirtschaften und Bibliotheken als »Mortimer Wittgenstein« vorstellte, wenn wir Leute trafen. Mortimer Hampstead war in London gestorben, als Maurice Micklewhite Rima zur Themse geführt und das Schiff sie mitgenommen hatte. Mitgenommen, wohin auch immer.
    Vier Jahre lang hatte ich damals in der Herberge »Das grüne Gesicht« gelebt. Das kleine Haus in der Melantrichova-Passage war mein Zuhause gewesen. Und als die Fegefeuer uns nach Prag gebracht hatten, da war es keine Frage gewesen, dass wir mein altes Zuhause aufsuchen würden. Gustav Charousek, der die Herberge einige Jahre später übernommen hatte, war noch immer der Besitzer, und ich wusste, dass er uns hilfreich zur Seite stehen würde.
    Doch Gustav Charousek war tot.
    Ermordet von einem Spuk.
    Müde kauerte ich in der Abstellkammer und dachte über das alles nach. Die Dinge, die keinen Sinn ergaben, ergaben meistens doch einen Sinn. Wenn man das Muster nicht sah, dann hieß das noch lange nicht, dass es keines gab.
    Gustav Charousek war nicht zufällig das Opfer eines Spuks geworden.
    Doch tut ein Spuk nur selten etwas aus eigenem Willen. Fast immer folgt er den Weisungen eines Auftraggebers.
    Wer aber konnte das gewesen sein?
    Lord Mushroom verfügte sicherlich über Kontake bis nach Prag. Sein Vater Mordred Mushroom war einst hier gewesen, und Dorian Steerforth, der Nocnitsa, war ebenfalls aus Prag nach London gekommen. Außerdem waren da noch Miss Monflathers und die Black Friars, die von unserer Flucht erfahren hatten. Lord Gabriel hatte immerhin gewusst, dass wir uns alle in Pandaemonium getroffen hatten. Ebenso wenig konnte man gänzlich ausschließen, dass uns einige der Mala’ak ha-Mawet nach Prag gefolgt waren. Es gab also mannigfaltige Möglichkeiten. Und die Vorgehensweise, uns der Polizei zu überlassen, trug die Handschrift von jemandem, der in der Kunst des Spinnens von Intrigen bewandert war. Jemand wollte uns aufhalten, so viel war sicher.
    Ich griff in die Manteltasche und nahm den Bilderjaspis in die Hand. Selbst in der Dunkelheit der Kammer konnte ich die Muster in dem Stein spüren. Es war ein runder Stein, den ich immer bei mir trug. Seit Jahren schon. Rima hatte ihn mir einst zum Geschenk gemacht, nachdem ich ihr von meiner Prüfung in der überfluteten Höhle berichtet hatte. Mylady Hampstead war eine unnachgiebige Lehrmeisterin gewesen. Eingeschlossen hatte sie mich in einer Höhle an der Küste, einer Höhle, die sich bei Flut mit Wasser füllte. Ziel der Übung war es gewesen, meine Furcht zu kontrollieren.
    Wie lange lag dies nun

Weitere Kostenlose Bücher