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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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schon zurück?
    Manchmal fragte ich mich, wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn die alte Rättin mich nicht aufgelesen und mit sich in die Stadt der Schornsteine genommen hätte.
    Langsam gewannen die goldenen und dunklen Flecken auf der Oberfläche des Steins an Kontur.
    Selbst hier in der Finsternis.
    Ich musste an Lady Mina denken, die in London zurückgeblieben war. Die kleine Rättin war das einzige Mitglied meiner Familie, das noch am Leben war. Ich hoffte inständig, dass sie sich in Sicherheit hatte bringen können.
    Und Emily?
    War sie bei Tristan Marlowe wirklich in guten Händen?
    McDiarmid hielt große Stücke auf den jungen Mann.
    Immerhin.
    Doch ist die Welt nicht gierig?
    Müssen wir denn nicht misstrauisch bleiben, um in dieser Welt zu überleben?
    Wie so oft in stillen Momenten musste ich an Rima denken. An ihre Augen und die Tränen darin. Nicht zu wissen, was aus ihr geworden war, gehörte zu den schlimmsten Empfindungen und kam einem langsamen Tod nahe. Und es verging kein Tag, an dem ich die kalten Finger dieses Todes nicht spürte.
    Doch halfen derlei Gedanken niemandem.
    Nicht jetzt, nicht hier.
    Wir waren nach Prag gekommen, um den Tempel des Salomon zu finden, der sich irgendwo in der Moldau-Metropole verbergen musste. Wir mussten den Schrein finden, der die Macht enthielt, Lord Gabriel zu besiegen. Die Lade, die das Feuer gebären würde, mit dem der Lichtlord, sollte Eliza Holland ihn im Limbus finden, die Urieliten anführen würde.
    Ich schloss müde und erschöpft die Augen.
    Schlaf.
    Tröpfelte mir ins Bewusstsein.
    Und die Träume.
    Leider ebenso.
    Den Bilderjaspis in der Hand, gab ich mich der Bilderflut hin, all den Farben vergangener Tage, die nie mehr wiederkehren würden. All den Stimmen, die nie wieder zu mir sprechen würden. All den Hoffnungen, die mit der Kindheit im Meer der Zeit ertrinken.
    Am nächsten Morgen dann begab ich mich zum vereinbarten Treffpunkt. Die Metro brachte mich bis zum Wenzelsplatz, von dort ging ich den Rest des Weges zu Fuß.
    Winter lag über der Stadt, und es hatte zu schneien begonnen. Geschäftige Passanten füllten die Straßen und den großen Platz, eilten zur täglichen Arbeit oder erledigten die Weihnachtseinkäufe. Das Reiterdenkmal trotzte dem eisigen Wind, und aus den Hotels und Restaurants strömte warmes Licht in die matte Dämmerung des anbrechenden Tages. Die Geschäfte erwachten erst langsam zum Leben, und die Theater und Kinos waren noch geschlossen. Kunstwerke zierten die Fassaden der Häuser, und wieder einmal dachte ich, dass Prag einem Märchen gleich an diesem Flecken Erde existierte, dass es eine der wenigen Städte war, die keine uralte Metropole besitzen, sondern eine uralte Metropole sind. Denn das ist es, was Prag zu etwas Besonderem macht. Die ganze Stadt ist eine einzige uralte Metropole. Die Magie lebt hier überall, in den Gassen, in den Straßen, in den Menschen. Die Zeit tickt anders an der Moldau, und wir hatten uns dem Strom dieser Stadt anvertraut.
    Warum?
    Weil wir keine Wahl gehabt hatten!
    Darum!
    Argwöhnisch beobachtete ich die anderen Passanten. Männer in Anzügen und Hüten und grauen Mänteln, von denen jeder ein Spitzel oder Polizist sein konnte. Es gab Vorschriften und Deutungen dieser Vorschriften und eine Armee von Polizisten und Beamten, die damit beschäftigt war, die Einhaltung dieser Vorschriften zu kontrollieren. Für fast alles gab es in dieser Stadt Formulare, die Dinge erlaubten, verboten oder gar beantragen ließen.
    Ich atmete tief ein.
    Die kalte frische Luft tat gut.
    Erweckte die Lebensgeister, die länger als ich selbst geschlummert hatten in der Abstellkammer tief unter der Stadt.
    Dann erreichte ich das Palais Lucerna und wartete in der Kälte, bis der kleine Laden, der sich gleich neben dem imposanten Gebäude befand, öffnete.
    Was er nicht tat.
    Bisselbecks Laden müsste längst geöffnet haben, dachte ich. Er war ein Frühaufsteher, und so wie es aussah, war das Geschäft auch noch in Betrieb. Und das war mehr als nur seltsam.
    Zu warten, bis etwas geschah, schien mir gefährlich zu sein. Ich kannte Herrn Bisselbeck noch von früher, und Tristan Marlowe kannte ihn auch. Eingedenk der Tatsache, dass es keine Zufälle gibt, schlug ich den Mantelkragen höher und ging meines Weges, so schnell mich die Füße tragen konnten. Zwar war Bisselbeck kein guter Freund, wie Gustav Charousek es gewesen war, doch drängte sich mir der Verdacht auf, dass hier etwas im Gange war, was sich gegen

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