Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen
zu denjenigen Personen, die sich von irgendeinem Inspektor befragen lassen. Er hat dem Inspektor Anweisungen erteilt, da bin ich mir ganz sicher. Und eingedenk der Tatsache, dass der Inspektor uns nachschnüffelt und ich die letzten beiden Tage niemanden in Bisselbecks Laden angetroffen habe, habe ich nicht die geringste Hoffnung, dass meine Verdächtigungen unbegründet sein könnten. Es tut mir Leid, Emily, aber ich denke, dass wir McDiarmid nicht länger trauen sollten.«
»Aber wenn er mit dem Feind im Bunde steht, dann …«
Tristan wirkte ganz niedergeschlagen. »Ja, dann haben wir ein Problem. Denn wenn Wittgenstein ihn aufgesucht und ihn von dem, was uns widerfahren ist, berichtet hat, dann weiß McDiarmid jetzt über alles Bescheid.«
»Und unser Plan …«
»Ist zumindest kein geheimer Plan mehr.«
»Dann müssen wir davon ausgehen, dass er unsere nächsten Schritte vorausahnt.«
»Sie sagen es!«
Emily überlegte noch, was genau dies für Konsequenzen und neue Gefahren mit sich bringen würde, als sie die grauen Männer bemerkte. Sie standen an einer Straßenecke, in ihren Mundwinkeln glimmende Zigaretten. Die Augen der grauen Männer waren im Schatten der breitkrempigen grauen Hüte verborgen, die sie trugen.
»Schnell!« Tristan Marlowe zog Emily eine Treppe hinunter, und erst jetzt sah das Mädchen, dass es eine Metro-Station war, die vor ihr lag. In den vergangenen Tagen war sie aus einem ihr nun unerfindlichen Grund davon ausgegangen, dass es keine Untergrundbahn gab in dieser Stadt. Doch nun wurde sie eines Besseren belehrt. »Wir nehmen den Zug«, erklärte ihr Tristan Marlowe, und schnell bewegten sie sich mit den morgendlichen Massen in Richtung der beiden Bahnsteige. »Es ist nicht so, wie es in London ist«, sagte der Alchemist, und Emily verstand sofort, was er meinte.
Die Metro war viel kleiner als die in London und sogar noch eleganter als manche Stationen in Paris. Doch fehlte hier unten der Hauch von Geheimnis und Magie, der in London durch die Tunnel und verwinkelten Wege wehte. Hier war alles geradlinig und sauber, steril und überschaubar. Es gab keine schnell abfallenden Röhrenwege oder jäh abknickenden Tunnel. Es war hell und belebt und fernab jeglicher Düsternis. Alles wirkte so, als sei es erst während der letzten Jahre erbaut worden – und am Ende erfuhr Emily von ihrem Begleiter, dass genau dies der Fall war.
»Es gibt hier keine Stadt unter der Stadt. Die Metro ist nichts weiter als die Metro.«
So einfach war das.
Die grundlegenden Dinge, erinnerte Emily sich, sind immer einfach.
Stillschweigend folgte sie Tristan Marlowe durch den Bahnhof von Mu°stek. Und das Glück war mit ihnen. Ein Zug fuhr ein, sobald sie den Bahnsteig betreten hatten.
Zur Station Starome?stská brachte er die beiden, was ganz in der Nähe der Josefstadt lag.
Dort ließen sie sich von den Menschenmassen hinauf ins Tageslicht schieben, und Emily stellte fest, dass es am Ende doch jede Menge Gemeinsamkeiten mit der Underground gab. Auch hier wirkten die Menschen gehetzt und unfreundlich und so grau, dass niemand dem anderen nähere Beachtung schenkte. Ein Wesenszug, der allen Metropolen dieser Welt zu eigen sein mochte, dachte das Mädchen und wusste nicht, ob es deswegen betrübt sein sollte oder ob dies alles einfach nur in der Natur der Menschen lag.
»Immer habe ich geglaubt, dass McDiarmid derjenige ist, dem ich vertrauen kann.« Ganz leise sagte er das zur ihr, als sie auf der langen Rolltreppe hinauf zur Kaprová fuhren. Seine Finger schlossen sich fest um den Knauf des Gehstocks, als wäre dies der einzige Halt, der ihm geblieben war. »Aber vielleicht bedeutet genau das, erwachsen zu werden.« Er blickte nach vorn. »Es ist, wie es ist.« Das war eine trotzige Feststellung.
Emily stand neben Tristan Marlowe und wusste nicht recht, was sie tun sollte. Am Ende hatte er Recht, das war ja das Schlimme daran.
»Lassen Sie uns nicht mehr darüber reden«, schlug Tristan Marlowe vor und trat hinaus in den Wintertag, der die Kreuzung Valenti´nská und Kaprova fest im Griff hatte.
Die Entscheidung, was als Nächstes zu tun war, wurde ihnen aus der Hand genommen, als sie des Mannes im grauen Mantel gewahr wurden, der an einer Bushaltestelle stand und die Kreuzung beobachtete. Einen Hut mit breiter Krempe trug er, und als er die beiden erblickte, da senkte er die Zeitung, hinter der er demonstrativ sein Gesicht verborgen hatte.
Emily bemerkte den Mann, bevor der Mann sie bemerkte.
Sie
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