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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wirkte ein wenig verlegen. »Komisch, nicht wahr?«
    »Allerdings«, murmelte Neil, der die ganze Zeit über geschwiegen hatte.
    »Du traust mir nicht?« Sixpence wartete die Antwort nicht einmal ab. »Das kann ich dir nicht einmal verdenken. Ihr beiden seid im Limbus. Warum solltet ihr mir also trauen.«
    Aurora wusste, warum. »Weil wir keine andere Wahl haben.«
    Sowohl Sixpence als auch Neil starrten sie an.
    Denn genau das war der Punkt. Sie hatten keine Wahl. Sie mussten Sixpence trauen, weil er der Einzige war, mit dem sie hier unten reden konnten. Doch Neil war dennoch misstrauisch. Keine Wahl zu haben bedeutete nicht gleich, blind zu vertrauen.
    »Dann machen wir dir deinen Namen eben dann erst zum Geschenk, wenn du uns geholfen hast«, versprach Aurora Sixpence.
    »Und wie kann ich euch helfen?«
    Aurora sagte es ihm. Und Sixpence, der noch gar nicht glauben konnte, dass ihm bald wieder ein Name gehören würde, willigte ein, sie dorthin zu bringen.
    Als mein Bewusstsein zurückkehrte, befand ich mich in einem Raum, der so groß wie eine Fabrikhalle war. Säulen stützten die hohe Decke, und zwischen den Säulen lebte das größte Büro, das ich jemals erblickt hatte.
    »Herr Wittgenstein«, hörte ich eine Stimme, »wie schön, dass es Ihnen wieder besser geht.« Klickende und klackende Geräusche füllten den großen Raum, und ich erkannte, dass es sich um hunderte von Schreibmaschinen handelte, die auf hunderten von Schreibtischen standen und auf die hunderte von emsigen Schreibmaschinisten in grauen Anzügen wie wild einhämmerten. »Inspektor Grubach ist auf dem Weg hierher«, bemerkte die Stimme neben meinem Kopf. »Ich habe ihn informiert, als Sie die Augen geöffnet haben. So steht es in den Bestimmungen. Öffnet der Angeklagte die Augen, dann ist der Inspektor zu rufen.« Der Mann lächelte, und in diesem Moment zuckten drei haarige, schwarzzackige Insektenbeine in seinem Mundwinkel, als seien sie eine seltsame Art von Zunge. »Oh, Sie müssen verzeihen«, entschuldigte sich der Mann, »aber das passiert manchmal. Nur dann, wenn ich müde bin, will ich meinen. Dann lässt die Konzentration manchmal nach und die … Beherrschung.« Er lächelte, was freundlich wirken sollte. Streckte mir die Hand entgegen, die ich nicht ergreifen konnte, weil ich an einen eisernen Stuhl gefesselt war. »Gregor Samsa, das ist mein Name. Ich bin Beamter und Schreibmaschinist, seit einigen Jahren schon.« Er wirkte hektisch und verwirrt. »Früher war ich Reisender, doch nach dieser seltsamen Sache hier«, gestand er verlegen und lächelte erneut, sodass die Insektenbeine aus dem Mund zuckten, »war eine Anstellung im Dienst des Staates sicherer.« Er kratzte sich am Kopf und prüfte, ob seine Krawatte richtig saß.
    Schritte näherten sich.
    Ich drehte den Kopf zur Seite und sah in das äußerst zufriedene Gesicht des Inspektors. »Wie ich sehe, haben Sie Herrn Samsa bereits kennen gelernt«, begrüßte er mich so freundlich, als wäre ich freiwillig dieser Einladung gefolgt.
    »Ich hatte das Vergnügen, ja.«
    Gregor Samsa leckte sich mit den Insektenbeinen, die ihm aus dem Mund zuckten, über die Lippen. Schweigend stand er neben dem Stuhl, auf dem ich saß, und lauschte dem Gespräch, als erwarte er bald Anweisungen.
    Ich dachte an das Gefühl, das mich nahe McDiarmids Turm befallen hatte. Es waren Trickster gewesen, die mir das Bewusstsein genommen hatten. Sie hatten mich überrumpelt.
    »Warum bin ich hier?«
    »Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden«, erwiderte der Inspektor. »Man hat etwas gefunden.« Er nahm sich einen Stuhl vom Schreibtisch nebenan und ließ sich mir gegenüber nieder. »Etwas, das Ihnen gehört, wie es den Anschein hat.« Er kramte in der Tasche seiner Jacke herum und beförderte etwas hervor, das tatsächlich mir gehörte. Ein Notizbuch, das ich zuletzt auf dem runden Tisch im Wintergarten meines Anwesens in Marylebone gesehen und mit Sicherheit nicht eingesteckt hatte, als wir zur schnellen Abreise nach Prag gezwungen worden waren. »Sie erkennen es, nicht wahr?«
    »Wo haben Sie das her?« Ich wollte diese Spielchen nicht mitmachen. Es war mein Notizbuch, zweifelsohne, und Inspektor Grubach wusste genau, dass es so war. Irgendjemand hatte es ihm zugesteckt. Jemand, der sich Zugang zu Hampstead Manor verschafft haben musste. Ich dachte an die gute Peggotty und hoffte, dass wer immer dieses Büchlein auch entwendet hatte, ihr nichts angetan hatte.
    Ohne auf meine Frage

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