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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Antragsbewilligungsstelle im zweiten Stock ausgegeben.«
    »Die Antragsbewilligungsstelle hat aber bereits geschlossen«, bemerkte Samsa lapidar.
    »Sehen Sie. Außerdem bin ich kein Antragsbewilliger. Und Herr Samsa hier ebenso wenig. Tut mir Leid.«
    Es war zwecklos, sich auf dieses Spiel einzulassen.
    Nicht einmal Zeit schinden konnte man mit dieser Strategie.
    »Wann wird man mir denn den Prozess machen?«
    Inspektor Grubach schaute auf die Uhr. »In einer Stunde ist der nächste freie Termin. Den könnten wir wahrnehmen.«
    Gregor Samsa nickte.
    »Und bis dahin hätten Sie gern mein Geständnis?«
    »Ja.«
    »Sie belieben zu scherzen.«
    Gregor Samsa reichte dem Inspektor flink ein Formular. »In der angehefteten Anlage dieses Formulars findet sich ein vorformuliertes Geständnis. Einmal kurz durchlesen. Eine Unterschrift dort, wo Unterschrift steht.«
    »Wenn Sie das Geständnis nicht unterschreiben, dann wird der Staatsanwalt dem hohen Richter die Indizien präsentieren. Am Urteil, lieber Herr Wittgenstein, wird dies alles nichts ändern. Warum also unnötig Zeit vergeuden?«
    »Fragen Sie nicht mich.«
    Seltsamerweise schien sich keiner der Schreibmaschinisten, die in dem riesigen Raum arbeiteten, für unser Gespräch zu interessieren. Für die Tatsache, dass ich an einen Stuhl gefesselt in diesem großen Büroraum saß, ebenso wenig. Wie willenlose Tiere in weißen Hemden und dunklen Hosen saßen die Maschinisten vor uralten gewaltigen Schreibmaschinen, die mittels seltsamer Kabel miteinander verbunden waren: Es gab jeweils kleine Gruppen von Schreibtischen, deren Kabel in einem Gerät endeten, das wie ein Kleiderständer aussah, an dessen oberem Ende sich eine Glühbirne befand. Solange die Schreibmaschinisten auf die Tastaturen einschlugen, leuchtete die Glühbirne. Begann sie zu unruhig zu flackern, so stürmte der Abteilungsvorsteher herbei und rief die langsamen Maschinisten zur Ordnung und mehr Tempo auf. Zwischen den Schreibtischen schoben Angestellte mit Armschonern Aktenwagen vor sich her und sammelten die von den Schreibmaschinisten erstellten Formulare ein, um sie der nächsten Abteilung zukommen zu lassen.
    Nicht von ungefähr zuckten bei den meisten der Angestellten in diesem Büro zackige Insektenbeine aus Mund und Nase. Denn wie Insekten verhielten sie sich auch. Ein einziges Bewusstsein, das jede Individualität getötet hatte, schien von den Büromenschen Besitz ergriffen zu haben.
    »Schauen Sie sich doch einmal um«, sagte Inspektor Grubach, »all diese emsigen Schreibmaschinisten erfassen all das, was die Menschen in Prag tun. Sie tippen die vorformulierten Formulare ab und registrieren die bereits registrierten Registrierungen. Es ist wichtig, dass hier alles in den Bahnen läuft, die vorgesehen sind. Nur so bleibt ein Staatsapparat effizient. Das verstehen Sie doch? Wenn Sie Ihr Geständnis unterzeichnen, dann wird Herr Samsa es nachformulieren und stempeln und mit einer Registrierung versehen, die so bald wie möglich registriert werden und in der Abteilung für erledigte Arbeiten landen wird.«
    »Sie sind verrückt«, antwortete ich ihm nur. »Was soll dieser Blödsinn?«
    »Das ist kein Blödsinn«, widersprach Gregor Samsa, und die Insektenbeine zuckten ganz aufgeregt. »Ich arbeite hier, und es ist wichtig, was ich tue.«
    »Halten Sie den Mund.«
    Inspektor Grubachs schmale Lippen verzogen sich zu einem überaus spöttischen Lächeln. »Die Bürokratie«, flüsterte er mir zu, »ist gierig, und sie frisst jeden, den ihre Zähne zu packen bekommen.« Er gab Gregor Samsa ein Zeichen, worauf dieser sich entfernte, um in einem entlegenen Aktenschrank nach Dingen zu suchen, die von Nutzen sein würden in diesem Labyrinth der ablagetechnisch einwandfreien Sinnlosigkeit.
    Als Samsa gegangen war, fragte ich den Inspektor erneut: »Wer sind Sie?«
    Er zog an seiner Zigarre und blies mir den Rauch ins Gesicht. Vergewisserte sich, dass Gregor Samsa noch unterwegs war. »Sie sind wahrlich neugierig. Ich arbeite für die Geheimpolizei. Seit Jahren schon. Als ich zum ersten Mal nach Prag kam, da waren Sie noch ein Kind, Wittgenstein.« Die Anrede ließ er mit einem Mal unter den Tisch fallen, und der leichte Akzent, den er bisher an den Tag gelegt hatte, machte einem tadellosen Englisch Platz. »Ich begleitete Mordred Mushroom auf einer äußerst wichtigen geschäftlichen Reise nach Prag, um sicherzugehen, dass Seine Lordschaft auch wirklich das tat, was er tun sollte. Das ist es, was ich tue.

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