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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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erneut Elizas Hand, schloss die Augen und sah …
    Einen Palast in einer fernen Stadt inmitten der Wüste.
    Zmargad.
    Sie wusste einfach, dass es diese Stadt war, diese eine und niemals eine andere. Die Stadt war still, und ein heißer Wind wehte durch die Straßen. Draußen, vor den Toren, lagen Körper, dicht an dicht. Ein Totenfeld nach einer tosenden Schlacht. Mala’ak ha-Mawet waren hier gewesen. Vor langer, langer Zeit schon. Und Lilith. Ja, dies war die Stadt der Lichtlady gewesen. Hier hatte sie einst als Königin geherrscht.
    Gefiederte Schlangenwesen, Limbuskinder, schwebten in den Lüften und speisten auf den Schlachtfeldern vor der Stadtmauer.
    »Ich sehe das, was ihr der Limbus gewesen ist«, murmelte Emily nur.
    Und darin erkannte sie …
    Eliza.
    Wie sie umhertaumelte und nach einem Eingang zur Stadt suchte.
    Verzweifelt.
    Furchtsam.
    Sie fand ihn schließlich und suchte in den Straßen und Gassen, Häusern und Palästen nach ihrem Geliebten, wie ihr Geliebter damals auch nach ihr gesucht hatte.
    Damals, als sie geflohen war.
    Geflohen vor dem Zorn des Träumers, der ihr Reich zerstört hatte. Allein Carathis war ihr geblieben, doch Carathis war nicht hier, nicht in diesem Limbus. An ihrer statt fand sie nur andere Kinder, alle mit grässlichen Spiegelscherben in den Augenhöhlen.
    Dann war der Wüstenwind bei ihr, und El-Khamsin wisperte ihr etwas zu, was sie zuerst nicht verstand. Sie ließ sich von ihm packen, und er flog mit ihr in die weite Wüste hinaus, die rot war wie Blutsand und voller gefiederter Schlangen und sich windender Würmer.
    Sie flogen zu einer Oase.
    Einem Ort, an dem sich Lilith einst vor des Träumers Scharen versteckt gehalten hatte.
    Und inmitten der Oase wuchs eine Pflanze, die Menora hieß. Sie thronte auf einem hölzernen Kasten, der die Lade des Bundes war, und als Eliza vor diesem Schrein stand, da begann sie zu verstehen.
    Sie begann zu verstehen, weil sie zu fühlen begann.
    Denn das, was sich in dem Schrein verbarg, war mächtig. Bewacht von der Menora, die allein den Schrein zu öffnen vermochte. El-Khamsin riet ihr von dem Vorhaben ab, doch Eliza wusste, was zu tun war. Ihr Herz wisperte ihr zu, welchen Weg sie gehen musste.
    »Sie hat gewusst, dass sie sterben wird«, schluchzte Emily, die fühlte, was Eliza gefühlt hatte, als sie auf die Menora zutrat und die Hand ausstreckte.
    Sie würde es tun, denn allein zu leben hieße auf ewig in der Hölle zu bleiben. Die Menora, die Blut und Leben witterte, griff nach ihr mit den Tentakelarmen und zog sie zu sich. Eliza ließ sich von dem uralten Gewächs umarmen und spürte, wie sie hergab, was sie am Leben gehalten hatte. Liebe, Glaube, Lebenskraft. Das alles saugte die Menora aus ihr heraus.
    Und während sie das tat, verschwamm die Welt vor ihren Augen. Die Oase zerfloss wie Eis in einem Fiebertraum, tropfte durch die Welten und Zeiten und wurde zu einer mächtigen Kathedrale, in der sie einst gesungen hatte für ihren Liebsten.
    Jemand war da.
    Menschen, die sie kannte.
    Und sie flüsterte ihnen etwas zu, doch niemand schien sie zu hören. Die Kathedrale, die St. Paul’s gewesen war, zerfloss vor ihren Augen und wurde zu einem Tempel, der schon immer und in allen Welten entstanden war. Salomons Tempel, den die anderen finden mussten, weil der Schrein dort war und die Menora und das, wovon ihrer aller Schicksal abhing.
    Deswegen hatte sie sich der Menora hingegeben.
    Weil es ohne dieses Opfer keine Rettung geben würde.
    Ja, sie hatte das verstanden, wie sie damals gewusst hatte, dass sie ihr Lied singen musste. Jenes Lied in der alten Sprache. Jetzt dachte sie nur daran, weil ihr die Kraft fehlte. Sie konnte nicht singen. Bekam nicht einmal mehr Luft zum Atmen.
    Kalt wurde es um sie herum.
    So wich das Leben aus ihr.
    Die Menora.
    Ließ schließlich von ihr ab.
    Sie fiel.
    Tief.
    So tief.
    Und …
    Erschrocken ließ Emily los.
    Das, was sie gefühlt hatte, waren die Bilder kurz vor der schmerzhaften Toderfahrung gewesen.
    Alles, was einst Eliza Holland gewesen war, all die Gespräche, all das Lachen, war fort. Die Pflanze hatte es ihr genommen und tat damit, was immer ihre Bestimmung war.
    »Sehen Sie nur!« Tristan Marlowe war der Erste, dem es auffiel.
    Der das Licht fluten sah.
    Die Lade des Bundes vibrierte, und fast war es, als sänge sie eine Melodie, so leise und zart wie ein Lied zwischen Liebenden. Das Licht suchte seinen Weg durch die kleinsten Ritzen, und die Menora bewegte sich mit einem Mal wie eine

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