Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen
Emily verstand nicht, warum sie ihren Himmel verlassen hatten. Sie hätten den Scharen Gabriels entgegentreten können.
»Da war noch etwas.«
Gespannt schauten wir den Lordkanzler an.
»Weitere schlechte Nachrichten?«
Er nickte. »Ein Abgrund.«
»Am Oxford Circus?«
Er nickte wieder. »Der Nyx hat einen Abgrund mitten im Himmel der Lichtengel geöffnet. Lucifer und Lilith stießen auf einige Rattlinge, die dort zurückgeblieben waren. Außerdem entdeckten sie weitere Spuren im sandigen Boden des alten Himmels.«
»Nun sagt es schon!«
»Nekir.«
»Ihr meint …«
»Die Mala’ak ha-Mawet gebieten über die Wesen der Hölle. Als ich davon erfuhr, schickte ich sofort meine Wölfe aus, damit sie Euch beistehen würden. Gabriel will all diejenigen töten, die seine Pläne durchschaut haben. Das hat er schon früher getan. Denkt an die Nacht des Bartholomäus. Ans brennende Rom. An Roanoke Island. Jerusalem. Die Zeiten, mein lieber Wittgenstein, ändern sich kaum. Alles wiederholt sich. Und wir sind nur die Zeugen, die stumm den Ereignissen folgen können. Ja, ich dachte mir, dass er es zu einem Ende bringen wollte. Lucifer war schon immer ein Dorn in seinem Auge. Durch Lucifer hat Gabriel seinen Glauben verloren.«
Der große Plan gewann an Gestalt. Die Reise nach Prag hatte von Anfang an nur einem einzigen Zweck gedient. Entweder wir wären gestorben, dann hätte die Geschichte dort ihr Ende genommen. Oder aber wir würden Lucifer zum Leben erwecken. Doch selbst dies hatte Gabriel bedacht. Lilith war der Köder gewesen. Nur sie allein hatte durch ihr Opfer die Lade zu öffnen vermocht. Und um sie zu retten war Lucifer gezwungen gewesen, ihr einen großen Teil seines Lebenslichts zu schenken. Was beide zu verwundbaren Geschöpfen machte. Zu Wesen, die für Gabriel keine Gefahr mehr darstellten. Nach all den Jahrtausenden würde er den Lichtlord endlich besiegen. Lucifer würde nie wieder eine Gefahr für ihn und seine Pläne darstellen.
»Es war ein gut durchdachter Plan«, murmelte ich grimmig.
Ein Plan, der so vieles berücksichtigt hatte.
Und wir hatten ihm vertraut.
McDiarmid.
All die Jahre.
Tristan Marlowe.
Ich selbst.
All die Trickster, deren er sich angenommen hatte.
Alle waren wir nur das Räderwerk in seinem großen Plan gewesen, Lucifer auszuschalten und die Hölle zu erobern, um weiterhin seinen Teil des Paktes mit den Ewigen erfüllen zu können.
Denn während wir uns um Lucifer bemüht hatten, da waren die Mala’ak ha-Mawet mit Unterstützung der Hölle und des Nyx in den Himmel am Oxford Circus eingedrungen. Hatten die Lichtengel vom Angesicht der Erde tilgen wollen.
Mushroom hatte den Angriff auf Manderley Manor befohlen.
Mylady wurde getötet.
Doch Mara überlebte.
Konnte fliehen.
Was sicherlich nicht Teil des Planes gewesen war.
Emily sollte sterben, wie wir alle.
Und so wäre Mara die alleinige Erbin des mächtigen Hauses vom Regent’s Park.
Sie würde den Tod all ihrer Angehörigen blutig rächen.
Und die Fehde zwischen Mushroom Manor und Manderley Manor würde fortbestehen.
Weiter und weiter.
London.
Die uralte Metropole.
Wären auch weiterhin das Schlachtfeld, an dem sich der Nyx gütlich tun würde.
Für einen Moment herrschte Stille. »Ihr müsst das Mädchen finden«, sagte Anubis schließlich nachdrücklich und schaute ernst in die Runde. »Ihr werdet aufbrechen, um Miss Laings kleine Schwester zu finden. Mr. Fox und Mr. Wolf werden Euch begleiten.« Die beiden Angesprochenen nickten gleichzeitig. »Und Master Marlowe hier wird in der Bibliothek nach Hinweisen suchen, die Aufschluss über den Aufenthaltsort der Lichtengel geben können.« Der junge Alchemist nahm die Anweisung zur Kenntnis. Ipy die Sphinx streunte um seine Beine herum und betrachtete den Lordkanzler lange.
»Was ist mit Aurora und Neil?« Emily hatte kein gutes Gefühl dabei, die beiden in der Gewalt Gabriels zu wissen.
Der Lordkanzler zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, was mit ihnen geschehen ist. Vielleicht hat Gabriel sie entführen lassen. Vielleicht sind sie auch schon tot. Sofern Gabriel sie in seiner Gewalt hat, wird er sich melden, wenn Mara Manderley wieder unter uns weilt. Und wenn sie schon tot sind, dann nützt es niemandem, sich weiter Gedanken um sie zu machen.«
Emily schluckte, war mit einem Mal den Tränen nahe. Fast schon hatte sie geglaubt, Mitgefühl in des Lordkanzlers Augen zu sehen. Doch dann überzeugte er sie erneut davon, dass er ein Gott war und auch die
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