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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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aller Art feilboten. Nicht jedoch hier. Sofern sich Menschen in diesen Gängen aufgehalten hatten, waren sie entweder verschwunden oder tot oder aufgefressen.
    Denn die Ratten waren überall.
    Tausende von kleinen Äuglein starrten uns an.
    Die Zeit schien stillzustehen.
    »Na, toll.« Emily trat instinktiv an die Rückwand des Fahrstuhls.
    Betrachtete die Nager.
    Und die Nager betrachteten uns.
    Es waren keine Rattlinge.
    Nein, ganz normale Ratten nur.
    Ratten, die man aus der Stadt der Schornsteine verbannt hatte, nachdem ihr hinterhältiges Wesen offenbar geworden war. Mit dem Ophar Nyx hatten sie paktiert. Dem Nyx, der ihnen ein Rattengott aus der Tiefe gewesen war.
    Als die Intrigen aufgedeckt worden waren, da hatten Rattenfänger die tiefen Schlünde Londons bevölkert und waren mit den Fellen ihrer Beute zur Oberfläche zurückgekehrt. Doch viele Ratten hatten damals die uralte Metropole verlassen. Waren geflüchtet. Unauffindbar gewesen.
    Jetzt wussten wir, wo sie abgeblieben waren.
    »Mist!« Mr. Fox starrte die Nager an.
    »Verdammter Mist« bestätigte Mr. Wolf.
    Emily und Adam standen noch immer wie angewurzelt da.
    »Wären Sie so freundlich und würden Sie den Knopf drücken?«, bat ich den jungen Mann.
    »Klar, doch.« Adam gab sich Mühe, keine unbedachte Bewegung zu machen. Langsam, ganz langsam, führte er seinen Finger zu den Armaturen und wollte gerade den Knopf drücken, als sich ein pelziger Leib aus der Masse der Ratten herausschälte.
    Es ist ein langer Weg, begrüßte uns Lord Brewster, von Prag nach London.
    Hier war er also wieder.
    Ein langer Weg, nur um zum Sterben nach Hause zu kommen.
    Emily musste an die Geschichten denken, die sie vor einiger Zeit gelesen hatte. Geschichten, deren Wahrheitsgehalt ich ihr bestätigt hatte. Denn immerhin war ich jung gewesen in einer Zeit, in der die Stadt der Schornsteine nicht für alle Bevölkerungsschichten eine zivilisierte Stadt gewesen war. Müllsammler hatte es schon damals gegeben. Männer, die in den Kloaken gelebt hatten. Die hinabgestiegen waren in die Kanalisation, um in dem Unrat nach brauchbaren Gegenständen zu suchen, die sie dann auf den Müllmärkten verkauft hatten. Immer wieder hatte es Geschichten und Gerüchte gegeben von Müllsammlern, die auf Rattennester gestoßen waren. Geschichten, die davon Kunde gegeben hatten, was die Ratten mit den unvorsichtigen Wanderern angestellt hatten.
    Die Ratten jedenfalls, die vor uns den Tunnel füllten, kamen langsam in Bewegung. Geifernde Münder wurden geöffnet, und kleine spitze Zähne wurden sichtbar. Schwänze ringelten sich wie nackte Würmer umeinander. Tausende von Krallen kratzten auf dem Steinboden. Nackenhaare stellten sich auf, und Lefzen wurden hochgezogen. Speichel troff von den Schnauzen. Ein lauter werdendes Zischen füllte den Tunnel.
    »Was habt Ihr vor?«, versuchte ich Zeit zu schinden.
    Wir haben lange genug in der Verbannung gelebt.
    »Sechs Jahre«, flüsterte Mr. Fox.
    Und Mr. Wolf bemerkte: »Er hat keine Ahnung, was wirklich lange ist.«
    Beide schienen das amüsant zu finden.
    Emily hingegen fand die Situation alles andere als amüsant.
    Schon bald werden wir losschlagen, fauchte Lord Brewster, dem Emily einmal vertraut hatte. Wir werden an der Seite von Mushrooms Truppen kämpfen, und dieses Mal wird der Sieg unser sein. Der Nyx gibt uns Kraft und Leben. Niemand wird sich uns dieses Mal in den Weg stellen, niemand, hört Ihr?!
    »Das sind ganz schön viele, Mr. Fox.«
    »In der Tat, Mr. Wolf. In der Tat.«
    Emily flüsterte: »Denkst du, was ich denke?«
    Adam nickte nur.
    Die vielen Ratten warteten auf irgendetwas. Einen letzten Befehl, um endlich losschlagen zu dürfen, womöglich. Es war eine Armee. Ein Heer aus pelzigen Leibern. Entschlossen zu allem.
    Bösartig schoben sich einige von ihnen vor.
    Große Kanalratten, deren Fell ölig glänzte und vor Schmutz starrte.
    Dies waren keine belesenen feingeistigen Geschöpfe wie Lady Mina oder Mylady Hampstead. Dies war der Pöbel. Schlimmstes Gezücht, das in den Tiefen dem Rattengott huldigte und dem Ophar Nyx untertan war. Es war ein Heer, das zum Töten in die uralte Metropole zurückgekehrt war.
    »Haben Sie einen Vorschlag?«, fragte mich Emily.
    Ich schwieg.
    Es wird keine weiteren Erklärungen mehr geben. Lord Brewster stellte sich auf die Hinterbeine. Ihr werdet jetzt sterben, so einfach ist das. Er legte die Ohren an.
    Gutturale Zischlaute stießen die Ratten mit einem Mal aus, und wenngleich sie kaum

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