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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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ergriff ihre Hand.
    Drückte sie, ganz fest.
    Lächelte.
    So, wie es nur eine Schwester tun konnte.
    Jemand, der zurückgekehrt war von einem dunklen Ort und nun das Licht sah. Ein Licht, das darauf wartete, am Firmament geboren zu werden. Ein Licht, das für sie alle scheinen würde, eines Tages, irgendwann.
    Doch dann drangen mit einem Mal Nebel in die Kajüte ein, und die Welt, die wir uns erträumt hatten, wurde schwarz vor unseren Augen. Und aller Mut, den wir nie hätten verlieren dürfen, ging unter in den Wellen, die schon so lange nicht mehr gegen den Rumpf der Cutty Sark geschlagen hatten.

Kapitel 5
Im Herzen des Frostflusses
    Die Welt ist gierig und ungerecht – und wenn man nicht mehr zwischen Gut und Böse zu unterscheiden vermag, dann ist es sogar möglich, dass die Bösen gewinnen und die Guten verlieren.
    Emily Laing, die ihre Schwester gerade erst gefunden hatte und nicht wieder verlieren wollte, wusste, dass genau dies schon bald geschehen würde. Sie wusste es von dem Moment an, in dem sie die Augen aufschlug und Tristan Marlowe neben Martin Mushroom stehen sah. Sie wusste es, als die Söldner von Blackheath sie auf die Beine stellten und ihr Verstand in weiter Ferne den Anweisungen lauschte, die man ihr gab.
    Jetzt standen wir mitten auf der Themse.
    Das Eis unter unseren Füßen war so dick, dass es von einem Ufer zum anderen reichte. Zu unserer Linken ragte das graue Kriegsschiff H.M.S. Belfast aus dem Eis in die Nacht, zu unserer Rechten sah man die vier Türme des Towers, angeleuchtet von Strahlern, die an den Festungsmauern installiert worden waren. Dicke Schneeflocken wirbelten durch die eisige Nachtluft, und unser Atem bildete Wölkchen, die vom stürmischen Wind mit den Verwehungen über den Frostfluss getrieben wurden.
    »So endet es also«, sagte Emily.
    Mara stand neben ihr, hielt ihre Hand.
    Adam Stewart, der weiter hinten bei Mina und mir stand, wirkte zerknirscht.
    Die Tower Bridge erhob sich majestätisch in den Nachthimmel, genau über uns. Zehn Meter waren es von der Eisdecke bis zur Fahrbahn und weitere dreißig Meter bis zur Fußgängerbrücke zwischen den beiden Türmen.
    Lord Mushroom stand weiter vorn allein auf dem Frostfluss und wartete.
    Darauf, dass Gabriel erschien.
    »Nichts«, hatte er uns gesagt, »geschieht in Blackheath ohne mein Wissen.« Gelächelt hatte er, ganz kalt. »Und es ist gut zu wissen, dass wir den Mala’ak ha-Mawet und McDiarmid aus Islington übergeben können, wonach es sie verlangt.«
    Gezeigt hatte sich zudem, dass jede Kette so stark ist wie ihr schwächstes Glied.
    Tristan Marlowe, dem Emily in Prag ihr Leben anvertraut hatte, war auf die Idee gekommen, Horatio Haythornthwaite zu überprüfen. Er hatte gewusst, dass der alte Mann, den wir oft genug am Trafalgar Square besucht hatten, in der Cutty Sark lebte. Er hatte auch gewusst, dass ich Lord Nelson vertraute. Also hatte er eins und eins zusammengezählt und Lord Mushroom den Hinweis gegeben, es einmal am Greenwich Pier zu versuchen.
    Am Ende waren es die Nebel gewesen, die uns gefunden und im Bruchteil eines Wimpernschlags überwältigt hatten. Die uns dem Feind ausgeliefert hatten. Die unser Schicksal besiegelt hatten.
    Emily, die den eisigen Wind in ihrem Gesicht spürte, fragte sich im Stillen, was gleich geschehen würde. Lord Mushroom, das hatte ihr Marlowe mitgeteilt, würde Mara den Mala’ak ha-Mawet übergeben. Gabriel persönlich würde das Mädchen mit sich nehmen und hinab in einen Abgrund bringen, wo der Nyx mit ihr tun konnte, wonach es ihn gelüstete. Danach würde die Schwester, die Emily gerade erst wiedergefunden hatte, auf immer verloren sein.
    »Wie fühlst du dich?« Emily dachte an die Zeit, als sie ein Waisenmädchen drüben in Rotherhithe gewesen war und Mara in dem kleinen Bettchen zum ersten Mal gesehen hatte. Bereits damals war sie ihr so vertraut gewesen, obwohl sie nicht die geringste Ahnung gehabt hatte, warum.
    »Ich habe Angst.« Mara zitterte.
    »Kannst du dich an das erinnern, was damals geschehen ist?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wird es wieder passieren?«
    Emily drückte ihre Hand. »Nicht, wenn wir es verhindern können.«
    Es gab immer einen Ausweg.
    Nun ja, meistens.
    Lord Nelson, der uns geraten hatte, nicht den Mut zu verlieren, hatte man nach Mushroom Manor gebracht. Keiner wusste, was dort mit ihm geschehen würde.
    »Da!«
    Mara folgte Emilys Fingerzeig.
    Auch Tristan Marlowe, der einige Meter hinter den Mädchen im Schatten eines Brückenturms

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