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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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bedenken.
    Emily funkelte den jungen Mann wütend an. »Du bist nicht dabei gewesen!«
    »Das tut nichts zu Sache.«
    »Du kannst ihn nicht leiden.«
    »Genau, und …«
    Zeit, mich einzuschalten.
    »Wir sollten Miss Mara ihre Geschichte erzählen lassen«, schlug ich vor und beendete dieses Gespräch, bevor es richtig begonnen hatte.
    Lord Nelson, der Tee und Rum (und Tee mit Rum) servierte, war gleicher Meinung. »Die beiden sind seit letzter Nacht bei mir. Ganz verstört und unterkühlt sind sie hier angekommen. Nicht einmal eine Jacke hatte das arme Kind getragen. Und das bei diesem Wetter.«
    Mara Manderley, die wieder so zu sein schien, wie sie einmal gewesen war, saß neben Emily in einer Koje und ließ die Beine baumeln. Eng war es im Inneren des Klippers, aber gemütlich. Man konnte sich gut vorstellen, wie Menschen in diesem Schiff die Erde umsegelt hatten. Damals, als man die Meere noch anhand der Sternbilder überqueren musste.
    »Großmutter ist tot«, hatte Emily ihrer kleinen Schwester mitgeteilt.
    Mara hatte es zur Kenntnis genommen.
    Stillschweigend.
    Anfangs.
    Dann hatte sie geweint, aber nur kurze Zeit.
    »Ich weiß nicht, was sie mir gewesen ist«, sagte Mara nun. »Eine Großmutter, ja. Eine Erzieherin, sicherlich mehr als Miss Anderson. Eine Freundin? Das hatte sie, glaube ich, sein wollen. Vielleicht sogar eine Mutter.« Dann berichtete sie von den Geschichten, die Mylady Eleonore Manderley ihr beim Feuerschein erzählt hatte. Von den Dingen, die einst gewesen waren. Von Intrigen und Machenschaften und feigen Morden. Von Ratten und dem Senat und Dingen, die Mara nicht wirklich verstanden hatte. »Sie hat dich gehasst«, gestand Mara und sah ihre Schwester dabei an. »Sie hat dich gefürchtet, weil du ihm so ähnlich warst. Ja, das waren ihre Worte.«
    »Wem?«
    »Richard Swiveller, unserem Vater.«
    Emily wusste nicht, was sie sagen sollte. »Und du?«
    »Ich sei wie unsere Mutter.«
    Mia Manderley.
    »Wann ist sie beerdigt worden?«
    »Vor zwei Tagen. Drüben auf dem Highgate Cemetery. Es war kaum jemand dort.«
    Sie schilderte den verlassenen Friedhof. Das stille, heimliche Begräbnis. Die Maske, zu der Mylady Manderleys Gesicht endgültig geworden war. Die Kälte, die fortan auch den letzten Rest Wärme aus dem herrschaftlichen Haus am Regent’s Park vertrieben hatte. Den Wahnsinn, der von Mylady Besitz ergriffen hatte.
    Emily kamen die Tränen. »Ich habe sie nicht einmal gekannt.«
    »Aber du hast sie besucht. In Moorgate.«
    »Das war nicht genug.«
    »Sie hat es gewusst.«
    Emily schaute auf.
    »Ich habe es gefühlt.«
    Die beiden Mädchen schwiegen.
    Adam nippte an seinem Tee.
    Wirkte besorgt.
    »Ich werde sie vermissen«, flüsterte Emily.
    »Ich habe dich vermisst.« Mara sah sie an. »Großmutter hat mir so vieles von dir erzählt.« Sie schlug den Blick nieder. »Und ich habe es ihr geglaubt. Alles. Sie war so nett zu mir.« Mara stockte. »Miss Anderson hat mir gesagt, dass es niemals nur eine einzige Wahrheit gibt. Dass zu viel vom Blickpunkt des Betrachters abhängt.«
    »Ich hatte geglaubt, dass du ein anderer Mensch geworden seist.«
    »Ich sollte eine Maske werden. Wie sie. Wie Großmutter. Niemand sollte mich verletzen können, das war ihr Wunsch. Eine schöne kalte Frau, das sollte ich werden. Aber ich bin wieder Mara. Bin ich eigentlich immer gewesen. Das, was du gesehen hast, als … du weißt schon … ich war so bösartig zu dir und …« Sie schlug den Blick nieder. »Es tut mir Leid.«
    »Du solltest uns berichten, was gestern Nacht geschehen ist.«
    Mara sah die Rättin an. »Sie hat mich gerettet. Lady Mina. Mina!«
    Oh, zu viel der Ehre, piepste meine Stiefschwester munter. Ich war nur dort, als die Nebel kamen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte. Sie lächelte ihr Rattenlächeln, und wieder einmal wurde mir bewusst, wie sehr sie doch unserer Mutter ähnlich sah. Nachdem Miss Monflathers und die Black Friars uns überrumpelt hatten, war ich durch ein Kellerfenster ins Haus gelangt. Sie haben mich gesucht, aber niemand hat mich gefunden. Ich bin eben eine Rättin, und wenn ich nicht gefunden werden will, dann findet mich auch niemand. Sie legte die Ohren an und putzte sich kurz die Schnauze. Ich bin in Manderley Manor geblieben, und als es Nacht geworden war, da habe ich die Kleine hier gesucht. Ich bin durch die Korridore, Luftschächte und die Transportaufzüge geklettert. Schließlich habe ich sie gefunden.
    »Sie hat mich nicht angesprochen, weil

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