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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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sie sich vor mir gefürchtet hat.«
    Schuldbewusst klang es, wie Mara das sagte.
    Vermutlich war es ein Zufall, oder auch nicht, dass ich in der Bibliothek auf etwas gestoßen bin. Ein Büchlein nur, aber ein interessantes. Es hatte sich hinter den anderen Büchern in einer der höchsten Regalreihen versteckt. Und ich bin nur deswegen darüber gestolpert, weil ich die Gespräche zwischen Mylady Manderley und Mara belauscht habe. Hinter den Büchern habe ich mich herumgedrückt, wie es nun einmal der Ratten Art ist.
    »Und so hat sie das Tagebuch unserer Mutter gefunden.«
    Emily setzte sich auf, war mit einem Mal wieder hellwach. »Mia Manderley hat ein Tagebuch geführt?«
    Das kleine Mädchen nickte. »Sie hat so viele Dinge niedergeschrieben. Teilweise sogar noch, als man sie wie ein Tier in der Kammer oben unter dem Dach hielt.«
    »Aber …«
    Immer schön der Reihe nach, unterbrach Mina sie.
    »T’schuldigung.«
    Die Rättin wurde ernst. Ich habe das Büchlein aus dem Regal gestupst, als Mara allein in der Bibliothek war.
    »Es ist mir fast auf den Kopf gefallen.«
    Sie hat nur kurz eine Ratte gesehen, und dann bin ich wieselflink verschwunden.
    »Wie es der Ratten Art ist«, ergänzte ich.
    Du sagst es, Mortimer.
    »Wie ich mich erschrocken habe, sie dort zu sehen. Eine Ratte auf unserem Anwesen. Großmutter hatte mir von den Intrigen der Ratten berichtet und mich nachdrücklich vor ihnen gewarnt.«
    Aber, gab Mina zu bedenken, sie hat ihrer Großmutter kein Sterbenswörtchen erzählt.
    »Ich habe das Büchlein heimlich mit auf mein Zimmer genommen und die ganze Nacht darin gelesen.« Tränen standen ihr in den Augen, als sie die Zeilen in der kleinen Kajüte Gestalt annehmen ließ. Von der jungen Mia erfuhren wir, die in Richard Swiveller verliebt gewesen war. Von Mia, die den Mushroom-Erben hatte heiraten müssen, weil ihre Mutter es so von ihr verlangt hatte. Von Tagen und Nächten in Mushroom Manor, so einsam und düster. Mordred Mushroom, ihr boshafter Schwiegervater, der tot und doch lebendig gewesen war, kam darin vor. Martin Mushroom, der sich solche Mühe gab, ihr gefällig zu sein, den sie aber doch nicht zu lieben vermochte. Der erfuhr, dass Richard Swiveller zurückgekehrt war nach London. Der rasend vor Eifersucht schlimme Dinge getan hatte. Von Schlägen und Tobsuchtsanfällen berichteten die geschwungenen Buchstaben. Von Tränen und Reuebekundungen.
    »Sie war nicht glücklich«, sagte Mara, »und Martin Mushroom war es auch nicht. Sie haben sich gegenseitig wehgetan, immer und immer mehr.«
    Am Ende dann hatte Martin Mushroom seine Ehefrau dem Nyx übergeben, der Besitz von ihr zu ergreifen versuchte. Doch dies misslang, und Mia fiel dem Irrsinn anheim.
    »Wo ist das Büchlein jetzt?«, fragte ich.
    »Wir haben es verloren.«
    »Wo?«
    Immer der Reihe nach, meinte Mina.
    »Also gut.«
    Als die Nebel von Blackheath Manderley Manor angriffen, da flüchteten Mara und Miss Anderson in den Keller. Ich folgte ihnen und wartete noch immer ab, was geschehen würde. Erst als die Nebel die beiden zu finden drohten, sprach ich Mara an und beschwor sie, mit mir zu kommen.
    »Sie hat mich wirklich gerettet.«
    Wir sind durch die alten Kloakensysteme unterhalb des Regent’s Park geflüchtet. Die Tunnel gehen in die Wasserversorgung über, aus der die kleinen Teiche gespeist werden. Von dort aus gelangten wir zum Regent’s Canal, wo Tristan Marlowe sein Hausboot hat. Ich wollte das Büchlein dort verstecken.
    »Im Hausboot?«
    Ja. Und uns gleich dazu. Sie seufzte, was wie ein Piepser klang. Draußen zogen noch immer die Nebel über die verschneiten Ebenen des Parks. Black Friars trieben sich womöglich auch dort in der Dunkelheit herum. Es war eisig kalt, und wir wussten nicht einmal, ob ihr den Black Friars entkommen wart oder nicht. Marlowe, das wusste ich, war an jenem Tag im Museum gewesen. Ich hatte gehofft, ihn auf dem Boot anzutreffen.
    Adam Stewart, der nichts von alledem verstand, weil die Piepslaute der Rättin in seinen Ohren keinen Sinn ergaben, ahnte aber sehr wohl, dass es hier um Tristan Marlowe ging. Er spürte es einfach, so wie man spürt, dass sich ein Gewitter nähert.
    »Aber ist Marlowe denn nicht zu Hause gewesen?«, fragte ich.
    Adam sah Emily von der Seite an. »Er hat uns alle belogen.«
    Emily schwieg betroffen.
    Sie musste an Prag denken und wollte nicht wahrhaben, was nun für alle offensichtlich war. Sie dachte an die Kirche »Maria Schnee« und das, was Tristan getan

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