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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wörtlich von einer Dürre die Rede. Aber wenn wir unseren Quellen Glauben schenken, dann ist die Dürre in die Hölle verbannt worden.«
    »In den Limbus.«
    »Wie auch immer, die Dürre wurde, wie auch der Nebel, aus dem Atem der mit dem Tode bestraften Sünder geboren.« Aus dem heißen Atem der in der kochenden Feuersäule von Sodom und Gomorrha Verbrennenden und dem kalten Odem der in den tosenden Fluten Ersaufenden. »Die beiden Wesen«, hatte er die Realität dann doch beim Namen genannt, »sind also Geschwister, auf eine seltsame Art und Weise.«
    »Und Sie glauben, dass jemand beide nach London gerufen hat?«
    »Wenn jemand Kenntnis von den Nebeln besitzt, dann wäre es doch auch möglich, dass er sich des anderen Elements bemächtigt.«
    »Um was zu tun?«
    »Das«, er hatte den Zeigefinger erhoben, »ist die alles entscheidende Frage, Miss Aurora.«
    Eine Frage, auf die sie bisher keine Antwort wussten. Vermutungen, ja, die gab es zuhauf.
    Nachdenklich stand Aurora vor dem Stein von Rosetta und betrachtete all die rätselhaften Schriftzeichen. Champollion, der französische Archäologe, hatte den Dreisprachenstein einst gefunden und sich daran gemacht, die Hieroglyphen zu entschlüsseln. Fest hatte er daran geglaubt, dass der Stein mit all seinen Schriftzeichen der Schlüssel zum Verständnis der ägyptischen Schrift und damit einhergehend der ägyptischen Vergangenheit sein würde. Und er hatte Recht behalten. Seine Beharrlichkeit hatte sich schließlich ausgezahlt, und das Land am Nil hatte einige Mysterien preisgeben müssen.
    Aurora fragte sich, wann sie endlich die Zeichen verstünde, die London inmitten der kalten Wintertage hinterließ. Nebel und Dürre als Geschwister zu sehen machte die Sache nicht einfacher. Wo, fragte sie sich, liegt der Schlüssel zum Verständnis all dieser Dinge? Bedauerlicherweise fehlte ihnen so etwas wie der Dreisprachenstein von Rosetta, der die kryptischen Hinweise und Berichte in einen lesbaren Zusammenhang gebracht hatte.
    Sie seufzte.
    Dachte an Emily.
    Eliza Holland.
    Und den Limbus.
    Sie rieb sich die Augen und merkte, dass Tränen darin standen.
    Aurora wollte nicht weinen. Nicht hier.
    Sie erinnerte sich an Eliza Holland, die ein Antiquariat am Cecil Court gehabt hatte. Emily hatte die junge Frau, die den Schönheiten aus den alten Schwarzweißfilmen so ähnlich gewesen war, bewundert. Freundinnen waren die beiden gewesen. Dann waren sie gemeinsam in die Hölle hinabgestiegen, und Eliza hatte ihr Leben gegeben, damit Lilith, die Lichtlady und einstige Madame Snowhitepink, in die Welt zurückkehren konnte. Jetzt war Eliza Lilith, oder umgekehrt. Sie waren zu einer einzigen Person geworden, und Aurora, die wenig von alledem gesehen hatte, weil sie die Tränen um ihres Vaters plötzlichen und gewaltsamen Tod davon abgehalten hatten, kannte die Geschichte, deren Teil sie doch war, nur aus den Erzählungen Emilys.
    Am Ende war Eliza, die Lilith geworden war, in der Hölle geblieben, um nach ihrem Geliebten zu suchen.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. So unglaublich waren all diese Geschehnisse, dass sie es manchmal kaum fassen konnte, dass sie sich wirklich und wahrhaftig so zugetragen hatten. Der schöne Engel Lucifer, der Master Lycidas gewesen war, und Lilith, die einst die Schöne vom Roten Meer gewesen war, hatten einander geliebt und verloren, und alles, was in London passierte, schien mit ihrer beider Schicksal verknüpft zu sein.
    Wie seltsam dies doch war.
    Lilith, zu der Eliza geworden war, streifte seit zwei Jahren an der Seite eines kauzigen Wissenschaftlers namens Pilatus Pickwick durch die Hölle, um Lucifer zu finden, der tot war und doch wieder nicht.
    Denn nichts, erinnerte sich Aurora der Worte des Engels, stirbt jemals für immer.
    Nichts.
    Nimmer.
    Sie schluckte.
    Spürte erneut die Tränen.
    Maurice Micklewhite war tot.
    Seit zwei Jahren schon.
    Ihn hatte niemand erwecken können.
    Warum?
    Wie oft hatte sie sich diese Frage gestellt?!
    Warum belohnte die Welt schlechte Menschen und bestrafte die Guten?
    »Weil es ihre Natur ist«, erinnerte sie sich Emilys bitterer Worte.
    Ja, die Welt war gierig, und sie konnte verschlingen, wen auch immer sie wollte und wann immer es ihr gefiel.
    Wenn Aurora Fitzrovia während der vergangenen Jahre eines gelernt hatte, dann dies.
    Etwas stupste sie am Fuß an.
    Erschrocken sah sie an sich hinab.
    »Ipy!«
    Die kleine Sphinx, die in der ägyptischen Abteilung lebte, lächelte. Das ernste Harlekingesicht sah noch

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