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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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der kleinen Glocke.
    Sofort sah ich Rima an, dass etwas anders war als sonst.
    »Lapislazuli«, flüsterte sie.
    Ihre Augen waren ernst.
    Wussten nicht, ob sie lächeln sollten.
    »Was ist passiert?«
    Sie stand vor mir.
    Schneeflocken schmolzen ihr im Haar.
    Sie ergriff meine Hand.
    Legte sie auf ihren Bauch, ganz behutsam.
    Sah mich an.
    »Es gibt keine Zufälle«, flüsterte sie.
    Dann musste sie weinen.
    Plötzlich.
    Ich drückte sie an mich, und die Welt drehte sich.
    Weiter und weiter.
    Immerfort.
    Ich küsste sie auf die Nasenspitze. »Es gibt keine Zufälle«, sagte ich.
    War glücklich.
    Denn Rima war es auch.
    Trotz der Tränen.
    Ich sah es in ihren Augen, so hell und klar wie ein Nadelstich im Mantel der Nacht.
    »Was ist, wenn jemand davon erfährt?« Das war die Frage, die der Freude folgte.
    Nur noch wenige Wochen würden uns bleiben, bis es für jedermann sichtbar sein würde.
    »Wir müssen die Schule verlassen«, sagte ich.
    In jenen Tagen berührte ich oft ihren Bauch.
    Dachte an das neue Leben, das vielleicht sogar schon zu träumen vermochte.
    Und fühlte mich, wie ich es niemals zuvor getan hatte.
    Drei Monate vergingen, nachdem wir Salem House verlassen hatten. Aus freiem Willen hatte ich der Schule den Rücken zugekehrt. Mylady Hampstead hatte mich dabei unterstützt.
    Rima war mir gefolgt und verbrachte die meiste Zeit in dem Anwesen der Familie Hampstead in Marylebone, wo sich Peggotty, die Haushälterin, die sich auch meiner angenommen hatte, ganz rührend um sie kümmerte.
    »Sie tritt mich«, flüsterte Rima mir oft zu, und wenn ich meine Hand auf den Bauch legte, dann spürte auch ich die Bewegungen.
    Immer häufiger litt Rima unter Übelkeit, und die Ängste vor der Zukunft waren allzeit gegenwärtig.
    »Was werden sie tun, wenn sie davon erfahren?«
    »Es geht sie nichts an.«
    »Aber es ist verboten.«
    »Ich weiß.«
    Trickster, das war uns beiden klar, durften keine Kinder haben. Gründe dafür gab es viele, einer fadenscheiniger als der andere. Keiner davon war glaubwürdig.
    Wir wussten nicht einmal, wen wir meinten, wenn wir von »ihnen« sprachen.
    »Diejenigen, die die Trickster einstellen, wenn sie Salem House verlassen.«
    Eine überaus dürftige Antwort, das wussten wir beide.
    Mylady Hampstead jedenfalls nutzte ihre Kontakte im Senat, um uns zu schützen.
    Doch die Welt dreht sich, wie es ihr gefällt, und so kam der Tag, an dem Rima nicht zur verabredeten Stunde im Raritätenladen erschien. Die Zeiger der Uhr quälten sich über das Zifferblatt der Standuhr. Schlimmste Befürchtungen bemächtigten sich meiner, und als sich dann endlich die Tür öffnete und die Glocke mit einem erschrockenen Bimmeln die keuchende junge Frau, die mit dem Schnee in den Laden fiel, ankündigte, da ahnte ich bereits, dass sich Schreckliches zugetragen haben musste.
    »Hilf mir«, stöhnte Rima.
    Der Mantel stand ihr offen, und die Mütze, die sie sonst trug, hatte sie verloren.
    Sie sank zu Boden und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Bauch.
    »Was ist passiert?« Ich kniete neben ihr nieder und hielt sie fest.
    Ihr Atem ging schwer.
    »Sie haben mir aufgelauert.«
    »Wer?«
    Sie nannte die Namen von ehemaligen Schülern, die vor einem Jahr schon Salem House verlassen hatten.
    »In der Westmorelandstreet haben sie mir aufgelauert.«
    »Was ist passiert?«, wiederholte ich furchtsam meine Frage.
    Rima schrie vor Schmerzen auf.
    Keuchte.
    »Sie haben etwas getan, ich weiß nicht, was«, heulte sie. »Die beiden waren Trickster und haben etwas mit mir gemacht.« Sie klammerte sich an mir fest, und ich spürte die Verzweiflung wie einen Knoten im Bewusstsein. »Sie haben mich in einen Hinterhof geschleppt und festgehalten, und einer von ihnen hat seine Hände auf meinen Bauch gelegt.« Sie wirkte wie von Sinnen. »Er hat etwas gemacht, und jetzt spüre ich nichts mehr.« Sie schrie es hinaus. »Ich spüre einfach nichts mehr, was soll ich denn jetzt machen?«
    Hilflosigkeit.
    Wut.
    Verzweiflung.
    »Ich habe sie verbrannt«, schluchzte sie.
    Ich ergriff ihre Hand.
    »Sie sind in Flammen aufgegangen, lichterloh.«
    Das war es, was Rima konnte. Weswegen man sie in Salem House umworben hatte.
    »Sie sind tot.«
    Ich wollte in diesem Augenblick keinen Gedanken daran verschwenden, was sie getan hatte. Ich berührte ihren Bauch, der sich sanft wölbte, und spürte die Tränen in den Augen.
    »Wir brauchen Hilfe.«
    »Lass mich nicht allein«, flehte sie.
    Ich strich ihr durchs Haar.
    Küsste sie

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