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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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niemals wiedersehen würde.
    »Lapislazuli«, flüsterte sie.
    Wir küssten uns.
    Meine Hand streichelte ihren Bauch.
    Kleine Tritte waren zu spüren.
    Ich nahm Rima in die Arme und weinte, wie ich es nie zuvor getan hatte.
    »Was wirst du tun?«, fragte sie schließlich.
    »Ich werde dich nie vergessen.«
    Schneeflocken bedeckten ihr Haar. Wie winzige Sterne, so klein.
    Dann ging sie fort. Und alles Licht, das meines Lebens Tag gewesen war, ging mit ihr.

Kapitel 1
Das verlorene Paradies
    Die Welt ist gierig, und viel zu oft erweist sich die Hölle, die wir in uns tragen, als der einzige Ort der Zuflucht, der uns den verlorenen Himmel noch vergessen lässt. Emily Laing, die weiß, was Enttäuschung ist, steht am Fuße der Rolltreppe in der Edgware Road und erinnert sich daran, wie alles angefangen hat.
    Ein schwülwarmer Wind bläst uns in die Gesichter. Der typische Geruch hier unten.
    Kaum jemand treibt sich um diese Uhrzeit in der U-Bahn herum.
    »So fühlt es sich also an«, sagt das Mädchen.
    »Was meinen Sie?«
    »Zurückzukehren. Nach London. Nach alldem, was geschehen ist.«
    Wahrheit.
    Lüge.
    Ein einziges Versteckspiel.
    »Wie wird dies alles nur enden?« Ein Schatten kriecht dem Mädchen über das helle Mondsteinauge.
    »Ich weiß es nicht.«
    Sagt man nicht, dass die Hoffnung zuletzt stirbt?
    Dass sie am Leben festhält?
    Verzweifelt?
    Klammernd?
    Wie von Sinnen?
    Ja, vielleicht ist es so. Glaubt man nicht am Ende meistens das, was man glauben möchte?
    Doch nein, ich sollte nicht vorgreifen. Dafür ist zu viel geschehen. Den Faden der Geschichte sollte ich dort wieder aufnehmen, wo ich ihn habe fallen lassen. In Londons uralter Metropole, an jenem Ort, der schon seit Jahrhunderten den Black Friars gehört. Nahe der Themse gelegen liegt dieser Ort, den man wohl als Abtei bezeichnen kann. Korridore, deren Wände so lebendig wirken, als seien sie einmal eine atmende Kreatur gewesen, erstrecken sich tief unterhalb des Bahnhofs Blackfriars.
    »Man sagt, dass ein Kind des Nyx vor Äonen den Weg hinauf ans Tageslicht gesucht hat und dabei gestorben ist«, erklärte uns Mylady Lilith, als sie uns in die Tiefen der Abtei hinabführte. »Ikarus, so nannte man die Kreatur, die das Licht hatte berühren wollen und am Ende dann zu Stein erstarrt ist.«
    Die Vorstellung, dass jemand in den Überresten eines alten Wesens lebt, war nicht gerade das, worüber Emily im Augenblick nachdenken wollte. Und doch sah alles um sie herum so aus, als seien die Wände einmal lebendige Haut gewesen. Kaltgrau und versteinert wirkten sie, und es fror einen, wenn man sie anfasste. Es gab seltsam geformte Auswüchse, an denen Laternen hingen. Sich um Steine windende Ausläufer, die wie Tentakel aussahen und schlaff und tot den Boden bedeckten. Hölzerne Türen mit schmalen Sehschlitzen säumten die Gänge, und dahinter verbargen sich die Kammern der Mönche.
    »Kann es sein«, fragte Emily, »dass der Nyx noch immer mit diesem Ort verbunden ist?«
    »Das würde immerhin erklären, weshalb die Black Friars ausgerechnet hier ihre Abtei errichtet haben.«
    Unsere Begleiterin stimmte dem zu. »Der Nyx lebt, meine Freunde. Auch wenn wir etwas anderes geglaubt haben.« Sie berichtigte sich. »Wenn wir etwas anderes gehofft haben.«
    Wir hatten es geahnt, weil die Tatsachen immer weniger zu leugnen gewesen waren. Doch war der Moment, in dem die bange Vermutung zur Gewissheit wurde, dennoch bitter.
    »Dann ist wieder einmal der Nyx unser Gegner.«
    Miss Monflathers hatte es bereits anklingen lassen.
    »Der Nyx«, erklärte uns die einstige Madame Snowhitepink, »ist nichts ohne seine Gefolgsleute.« Augenblicklich hob sie abweisend die Hand. »Doch davon später mehr. Erst einmal sollten wir diesen Ort hier verlassen.«
    Wogegen, das sei hier angemerkt, keiner von uns etwas einzuwenden hatte.
    Die Gänge waren von rundlicher Form und sahen dort, wo die Feuchtigkeit der Themse ihren Weg über die tiefen Lehmschichten gefunden hatte, noch durchaus lebendig und wie atmend aus. Dünne Membranen spannten sich zwischen knochenartigen Strukturen an der Decke entlang. Man konnte eine grobe Pigmentierung erkennen, die wie das Muster eines Schlangenleibes aussah und, wenn das unruhige Licht der Laternen flackerte, zu vielen zackigen Formen verschwamm. Hin und wieder trafen wir auf regungslose Körper in schwarzen Kutten, die den Boden an manchen Stellen des Weges zuhauf bedeckten.
    »Mr. Fox und Mr. Wolf haben vorzügliche Arbeit geleistet.«
    Die

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