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Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen

Titel: Die uralte Metropole Bd. 3 - Lumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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So ist das. So war es. Und wird es immer sein.«
    Blieb immer noch die Frage, die ich ihr gestellt hatte. »Warum sind Sie hier unten bei uns? Warum erzählen Sie uns all das?«
    »Sagte ich das nicht bereits? Ich möchte dir und Ihnen, Miss Laing, erneut die Chance geben, dem Orden beizutreten. Wir können fähige Trickster brauchen, Mortimer.«
    Ich sah Emily an.
    Dachte an unsere erste Begegnung. McDiarmid aus Islington hatte damals eine Trafalgar-Taube entsandt, die mich während einer meiner Besorgungen am Cecil Court aufgespürt hatte. In der Tottenham Court Road, so die Nachricht, würde ich auf ein Mädchen in Begleitung einer Ratte treffen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.
    Jetzt waren wir hier.
    Emily Laing war meine Schutzbefohlene geworden.
    Die Tochter, die ich nie gehabt hatte.
    »Verschwinden Sie!«, herrschte ich Miss Monflathers an und musste husten.
    Emily strafte sie mit Nichtbeachtung.
    Die beiden Black Friars warfen einander aus den Schatten Blicke zu, die ich nicht zu deuten vermochte.
    »Lebt wohl«, sagte Miss Monflathers nur.
    Die grünen Augen spiegelten Enttäuschung.
    Verletzten Stolz.
    Wut.
    So verließen unsere Besucher den Kerker.
    Mit einem endgültigen rostigen Krächzen wurde die Tür verschlossen.
    Wie lange dies nun her ist, vermag keiner von uns zu sagen.
    Die Zeit ist ein Raubtier, das durch die Dunkelheit schleicht.
    Es ist kalt.
    »Werden sie uns töten?«
    Die Feuchtigkeit, die allgegenwärtig ist, lässt mich erneut husten. »Fragen Sie nicht«, antworte ich leise und lausche den Schritten, die sich schnell der Zellentür nähern.
    Emily Laing sieht müde und verängstigt aus. Struppiges rotes Haar fällt über das helle Mondsteinauge, in dem sich einst so große Erwartungen gespiegelt hatten.
    Dann flüstere ich dem Mädchen leise zu: »Treten Sie von der Tür zurück.«
    »Was haben Sie vor?«
    Ich werfe ihr hastig einen nervösen Blick zu.
    »War bloß eine Frage«, murmelt sie beleidigt, schweigt dann aber und leistet meiner Anweisung Folge.
    Jemand schiebt langsam einen Schlüssel in das Schloss, und ein rostiges Knirschen frisst sich in die Stille, die uns seit Stunden schon umgibt. Die uralten Eisenscharniere setzen sich in Bewegung.
    Die Tür öffnet sich.
    Langsam.
    Bedächtig.
    Ein Gesicht erscheint, schneeweiß und umrahmt von blondem langem Haar, mit hellen Katzenaugen, die den Anbeginn der Zeit gesehen haben. In denen das Licht kommender Tage geleuchtet hatte, damals, vor langer Zeit, an den Gestaden des Roten Meeres. Augen, die an Eliza Holland erinnern. »Lasst uns von hier verschwinden«, sagt Mylady Lilith und lächelt, wie Eliza es immer getan hat.
    Hinter ihr erscheinen zwei Gestalten im Türrahmen, die wir lange nicht mehr gesehen haben.
    »Die Zeit drängt«, sagt der Mann, der aussieht wie ein Wolf.
    »Das tut sie immer«, sagt der andere, der aussieht wie ein Fuchs.
    Mylady Lilith, die lange in der Hölle gelebt hat, reicht Emily die Hand.
    Lächelt mir zu.
    »Lasst uns nach Pandaemonium gehen«, schlägt sie vor.
    Emily muss an die Schneekugel denken und die Melodie, die sie gespielt hat. An die Stadt der Schornsteine, die ihre Heimat ist. An Herzen, die zu eisigen Klumpen dunkler Nacht gefrieren können.
    Dann brechen wir auf. Und während London in klirrendem Eis erstarrt und die Häuser, Straßen und Plätze in dichtem Schneetreiben versinken, folgen wir Mylady Lilith auf den Pfaden, die hinab in den Palast des Lichtlords führen. Eiligen Schrittes und an dem leise dahingeflüsterten Gedanken festhaltend, dass Hoffnung selten einsam stirbt.

Buch II
Limbus

Zwischenspiel:
Wittgenstein
    Manchmal, so sagt man, findet man die Liebe, die man selbst gesucht und die einen wie von allein gefunden hat, und muss ihr so schnell wieder Lebewohl sagen, dass jener Moment des kurzen Glücks niemals richtig Vergangenheit zu werden vermag.
    Lapislazuli, so nannte sie mich von Anfang an.
    Immer so.
    Niemals anders.
    Wunderschön war sie, und die Liebe, die wohl immer schon da gewesen war, traf uns mit dem ersten Blick. Das Lächeln, das sie mir schenkte, barg tausende von Stunden in sich, die noch geboren werden würden, und ein Leben, an das man sich gern erinnern würde, wenn man es gelebt hätte, versteckte sich im sanften Klang ihrer Stimme.
    Die Stadt der Schornsteine war in den wenigen Jahren nach den Whitechapel-Aufständen zur Ruhe gekommen, und die mächtigen Häuser, die noch immer in aller Munde waren, hatten sich zurückgezogen und

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