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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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und die gierigen Spanier reiche Beute gemacht, Hunderte von Jahren, bevor ich geboren wurde. Das Gold wurde weitergegeben, und am Ende erhielt ich einen Teil, der kaum mehr
als ein Almosen war.« Ich lachte. »Manchmal gibt es keine Zufälle, nicht wahr?«
    Scarlet nickte still. »Wieso haben Sie sich um Jake gekümmert?«
    »Er brauchte Hilfe.«
    »Wie ich?«
    »Ja, wie Sie.«
    »Und die anderen?«
    »Sie sind sehr neugierig, wenn ich das bemerken darf.«
    »Ich weiß. Nun sagen Sie schon!«
    »Christo Shakespeare lernte ich kennen, als er gerade erst aus der Sklaverei entlassen worden war. Er ist elfisch, aber das haben Sie sicher schon bemerkt. Und Buster Mandrake … nun, diese Geschichte kann er Ihnen später selbst erzählen.«
    »Er kommt hierher?«
    »Ja.«
    »Weiß er denn, wo wir sind?«
    »Ich habe vorhin eine Taube losgeschickt, damit sie ihm Bescheid gibt.«
    »Eine Taube?«
    »Fliegende Ratte. Taube. Weißer Vogel. Etwas dumm, aber ein guter Bote.«
    »Hm«, machte Scarlet und stand auf. »Was werden wir tun, wenn der Tag anbricht?«
    Ich ging zu ihr hin, legte ihr eine Hand ruhig auf die Schulter. Mir war nicht entgangen, dass sie das Motorrad angeschaut hatte, schon wieder.« Wir werden das tun, was uns auszeichnet«, flüsterte ich ihr mit einem Lied in der Stimme zu. »Das, was wir schon immer getan haben.« Ich schenkte ihr ein Lächeln. »Wir werden weitermachen.«

KAPITEL 4
    CHINADOWNTOWN
    Die Sonne, dachte Scarlet, geht immer über Brooklyn auf. Doch so düster wie an diesem Morgen war das Licht bestimmt selten in die tiefen Straßenschluchten der Stadt gefallen, und überdies war Brooklyn weit entfernt.
    Nach dem nächtlichen Gespräch war Scarlet noch einmal eingeschlafen. Die Erschöpfung war doch zu groß gewesen. Wieder hatte sie geträumt, dieses Mal von Jake. Schlafwandler und Wendigo waren in dem Traum vorgekommen, viele alte Filme und eine wunderschöne Frau in Weiß, die mit einem Kojoten im Bunde war.
    Es war einer jener Träume gewesen, in denen der Träumende in die Tiefe stürzt, in denen er hilflos mit den Armen rudert und zu fliegen versucht, aber immer tiefer und tiefer sinkt, bis er schließlich fällt und im Fallen so viele Bilder sieht, dass die Tränen, die nach dem Aufwachen sein Antlitz benetzen, niemanden verwundern werden, der jemals einen ähnlichen Traum erlebt hat.
    Sie streckte sich im Bett, setzte sich auf die Kante und saß lange Zeit einfach nur da. Sie schlürfte den Kaffee, den ich ihr brachte. Dann weinte sie wieder. Das jedoch erst, als sie
sich vergewissert hatte, dass ich in der Küchenzeile stand und nicht hinsah.
    »Ich vermisse ihn«, sagte Scarlet.
    Ich fragte nicht nach, wen genau sie meinte.
    Still und schweigsam schlurfte sie durch die Wohnung, fasste einige Dinge an, zögerliche Berührungen nur. Neben dem Motorrad ließ sie sich auf den Boden sinken. Sie saß nur da, mit ihrer großen Tasse, aus welcher der Kaffee dampfte, saß da und starrte mit funkelnden Augen die alte Maschine an, deren Motor von geschickten Händen in Einzelteile zerlegt worden war, die sich jetzt überall in der Wohnung verstreut wiederfanden.
    Irgendwann hörte sie dann das Kratzen kleiner Krallen auf dem glatten Holzboden.
    Ließ die Gedanken im Morgenlicht treiben.
    Schaute auf.
    Buster Mandrake erschien kurz nach Sonnenaufgang. Er schlüpfte durch die Klappe in der Haustür, die direkt in den großen Raum führte.
    Warum fühle ich mich nur immerzu wie eine Katze, wenn ich herkomme? , schimpfte er.
    »Jake ist fort«, sagte ich. Und leise berichtete ich ihm, was geschehen war.
    Er wurde ganz still. Die schwarzen Knopfaugen blinzelten traurig, nicht mal sein gestreifter Schwanz ringelte sich in der gewohnt lebhaften Art und Weise. Es tut mir leid , fiepte er.
    Ich seufzte, zog mir den Mantel über. »Wir sollten keine Zeit verlieren. Gibt es Neuigkeiten?«
    Buster Mandrake nickte. Jemand hat uns einen Besuch abgestattet , begann er. In der Bibliothek .
    »Wer war es?«

    Eine Ratte.
    Ich schaute erstaunt auf. »Eine Ratte?«
    Genau genommen war es eine Rättin .
    »Was wollte sie?«
    Sie wollte dich sprechen. Und Miss Scarlet.
    » Weshalb?« Die Ratten waren seltsame Gestalten. Sie verrichteten niedere Botendienste. Man konnte ihnen nicht trauen, jeder wusste das. »Was haben wir mit dem Rattenpack zu schaffen?«
    Sie hörte sich anders an als die Flussratten oder die Midtown-Ratten, ja, selbst anders als die Ratten aus Brooklyn. Sie klang vornehm, irgendwie blasiert. Sie

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