Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia
Engel durchsetzen lassen musste?
»Lucifer erkannte, wie ungerecht die Gesetze des Träumers waren. Er ging zu seinem Herrn und stellte ihm Fragen.«
»Nie zuvor hatte es ein Engel gewagt, Fragen zu formulieren«, sagte Tristan Marlowe.
Das Wort, das schließlich den Himmel zerstörte, war so einfacher Natur, dass selbst Kinder es zu nutzen vermögen.
Warum?
Das war das Wort, das die Engel niemals hätten aussprechen dürfen. Das war das Wort, das alles zu Fall brachte.
»Aber Lucifer sprach es aus, laut und klar, er schrie es hinaus in die Welt und in alle Himmel, so dass alle Engel es vernahmen.«
Wie ein Lauffeuer verbreitete es sich. Es war das erste Wort, das nicht mehr allein dem allmächtigen Träumer gehörte. Es gehörte den Geschöpfen, die er sich erträumt hatte. Es gehörte den Engeln und es gehörte den Menschen.
»Der Träumer, der nicht mehr allein und dennoch verlassen war, fühlte, dass etwas in ihm erwacht war, was noch keinen Namen hatte.«
Gefühle, die gierig an seinen Eingeweiden fraßen und den
Himmel, den er sich geschaffen hatte, zu zerstören begannen, noch bevor die Aufrührer zu solchen geworden waren.
»Eifersucht und Neid waren es, die des Träumers Blicke trübten und verwirrten.«
Wie konnte es sein, dass er, der allmächtige Träumer, von diesen Gefühlen heimgesucht wurde, die er nicht selbst erschaffen hatte? Wie konnte es sein, dass er die Fragen, die seinem Mund entrannen, nicht beantworten konnte? Wie war es möglich, dass seine Schöpfung Liebe empfand und er selbst auf diese Weise nicht dazu in der Lage war?
»Die anderen Engel stellten ebenfalls Fragen.«
Doch statt Antworten zu geben, setzte der Träumer die Ma la’ak ha-Mawet ein, dunkle Engel, deren Tätowierungen ihnen wie eisiges Wasser in den Gesichtern brannten und deren schwarze Haare mit Bändern geflochten waren, so rot wie das Blut der Sünde, die existierte und doch niemals hätte geboren werden dürfen.
»Lucifer begehrte immer stärker auf.«
Aber der Träumer war immer noch der Herrscher. Er trug den Mala’ak ha-Mawet auf, sein Wort zu verbreiten, wenn nötig, mit Gewalt. Und die dunklen Engel taten, was er ihnen aufgetragen hatte.
Sie verfolgten Lilith, die mit ihren Töchtern nach Zmargad geflohen war. Lucifer sollte die Liebe, die er nie hätte erfahren dürfen, niemals wiedersehen. Er sollte um sie trauern und daran zerbrechen. Und wenn er zerbrochen wäre, dann würde das Chaos aufhören, und die Engel würden keine Fragen mehr stellen.
»Doch es kam alles anders.« Sie lächelte.
Die Mala’ak ha-Mawet zerstörten Zmargad, doch Lilith konnte entkommen. Lucifer, der das Totenfeld erst nach der
Schlacht erreichte, suchte nach Lilith, und als er sie tot glaubte, da formte er aus seinen bitteren Tränen und dem heißen Wüstensand eine gläserne Totenmaske, die das Antlitz seiner Geliebten war. Und Lilith sprach zu ihm, und alle Sorgen fielen von ihm ab, und er machte sich auf zu dem Ort, an dem sie sich versteckt hielt und wo er sie endlich wieder in die Arme schließen konnte.
»Der Träumer erfuhr davon und schickte seine Heerscharen über die Erde aus.«
»Lucifer hatte derweil Verbündete um sich geschart.«
Andere Engel, die, wie er, zu lieben vermochten oder einfach nur Antworten suchten auf die Fragen, die ein Leben ausmachten. Eine Festung hatte er errichtet, tief in der Wüs tenei der Hölle, die ein Kind des Paradieses war.
»Pandaemonium.«
Die Engelsscharen, die dem Lichtlord folgten, wurden nach einer Schlacht, die den Himmel in Wolken und Tränen hüllte, von den Scharen der wütenden Mala’ak ha-Mawet besiegt.
»Lucifer und seine Gefolgsleute wurden gerichtet«, sagte Emily Marlowe.
»Sie waren schuldig.«
Das Urteil wurde schnell gesprochen: Verbannung.
»Lucifer kehrte in die Wüstenei zurück, und von dort aus unternahm er lange Reisen, bis er am Ende in der Stadt der Schornsteine strandete. In London. Es gab viele Namen, unter denen er lebte: John Dee, John Milton, Master Lycidas.«
Schnell fragte Scarlet: »John White?«
Emily nickte nur, sagte: »Dazu komme ich noch. Lassen Sie es mich der Reihe nach erzählen.«
Es war Tristan Marlowe, der fortfuhr: »Lucifer fand Mittel
und Wege, wie er sein Leben verlängern konnte, wenn er auf der Erde weilte.«
Er machte sich die Kraft des Lebensbaums zunutze und opferte Kinder, die den Lebensbaum tränkten. Pairidaezas Stock. Er produzierte aus der Unschuld der Kinder einen Trank, der ihm neue Lebenskraft spendete
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