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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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und ihn die Jahrhunderte auf der Erde überstehen ließ, ohne zu altern. Während dieser Zeit bestimmte er das Leben der Menschen auf nicht unmaßgebliche Weise.
    »Die Kinder, die verschwanden«, begann Scarlet einen Satz, aber Emily Marlowe unterbrach sie, indem sie hinzufügte: »Und es immer noch tun.«
    »Was geschieht mit ihnen?«
    Emily Marlowe schaute zum Fenster hinaus, wo sich dicke Schneeflocken auf der Scheibe niederließen. »Wir haben sie gesehen. Damals, in London. Master Lycidas und Mylady Lilith waren nach all den Jahren noch immer ein Paar. Lilith stahl die Kinder.« Sie kratzte sich am Handrücken. »Wir nannten sie immer nur Madame Snowhitepink, damals im Waisenhaus.«
    Scarlet wusste nicht, wovon sie sprach.
    »All die Jahre über war sie Lucifer nicht von der Seite gewichen.«
    »Wahre Liebe«, sagte Tristan Marlowe und sah seine Frau eindringlich an.
    »Die Kinder trugen Spiegelscherben in den Augen. Und sie lebten in der Hölle.«
    »In der Hölle?«
    Emily erklärte es ihr.
    »Doch dann«, fuhr sie schließlich fort, »verließen auch die enttäuschten Mala’ak ha-Mawet den Himmel des Träumers.«
    Ihr Anführer, Lord Gabriel, hatte zu zweifeln begonnen. Er hinterfragte, was bisher seine Welt gewesen war. Er zweifelte daran, dass der Träumer allmächtig war: Er hatte Schwäche gezeigt, und die Mala’ak ha-Mawet waren eine kriegerische Kaste. Gabriel und die Seinen verließen den Himmel aus freien Stücken, weil sie ihren Glauben verloren hatten.
    »Er wollte sich an Lucifer rächen, weil dieser sein Leben zerstört hatte, indem er die Frage stellte.«
    »Vor zwei Jahren kam es in London zu einer großen Schlacht.«
    Die Urieliten, mächtige, schöne Lichtengel, kämpften auf der zugefrorenen Themse gegen die Scharen der dunklen Ma la’ak ha-Mawet. Die Mala’ak ha-Mawet wurden geschlagen. Lucifer und Lilith opferten ihre Unsterblichkeit und lebten fortan ein gewöhnliches Leben als gewöhnliche Menschen. Das war alles, was sie sich erträumt hatten. Sie wollten so leben, wie die Menschen es taten.«
    »Nach einem ewigen Leben kann die Vergänglichkeit manchmal der Himmel sein«, murmelte ich.
    Alle schauten mich an. Ich zog eine Grimasse und war wieder die Zuhörerin, die still dasaß.
    »Die beiden großen elfischen Familien«, erklärte Tristan Marlowe, »die all die Jahre in einer Fehde gelegen hatten, schlossen Frieden. Mara Myriel Manderley übernahm die Führung der beiden Häuser und einte, was einst einander bekämpft hatte.«
    Emily sah aus, als bereitete es ihr körperliche Schmerzen, ihn dies sagen zu hören.
    »Doch dann kam alles anders.«
    »Myriel Manderley erwählte sich einen neuen Berater.«
    Niemand wusste, wer genau er war. Niemand hatte je zuvor von ihm gehört. Er nannte sich Lord Somnia, und Myriel Manderley tat, wozu er ihr riet. Als die Regentin unter mysteriösen Umständen erkrankte und schließlich starb, da ließ sich Mara Myriel Manderley zur bislang jüngsten Regentin von London ernennen. Die Stadt wurde neu geordnet, überall. Es wurden neue Gesetze erlassen. Es gab neue Strafen.«
    »Und dann«, sagte Tristan Marlowe, »tauchten die ersten Eistoten auf.«
    »Man fand sie überall in der uralten Metropole von London. Es gehörte nicht viel dazu, herauszufinden, dass es sich um Engel handelte.« Emily Marlowe nippte an ihrem Tee, ihre Stimme schwankte, als würde sie gleich mit einem Krächzen verebben. »Ja, die Schlafwandler, die in London umgingen, töteten Engel, überall in der Stadt. Zumindest glaubten wir anfangs, dass es die Schlafwandler seien. Wir wussten noch nichts von den Dreamings. Der Himmel der Urieliten am Oxford Circus erstarrte jedenfalls zu Eis, ebenso die Himmel in Paris und Prag, wie man uns mitteilte. Ähnliches ereignete sich überall auf der Welt. Moskau, Madrid, Berlin, wo immer sich ein Himmel befand, wurde er zerstört.«
    »Es gibt keine Engel mehr in London?« Scarlet wunderte sich selbst, dass sie diese Frage stellte. Bisher hatte sie nie geglaubt, dass richtige Engel über die Erde wandelten.
    »Es gibt keine Engel mehr in ganz Europa. Auf den meisten Kontinenten wurden sie ausgerottet.«
    Tristan Marlowe sagte: »Wir glauben, dass Lord Somnia dahintersteckt. Wir glauben, dass er der Träumer ist.«
    »Sie glauben, dass Gott selbst die Engel töten lässt?«, fragte ich entgeistert. Es war ungeheuerlich, so etwas auch nur anzunehmen.

    »Wir nennen ihn nicht bei diesem Namen«, verbesserte mich die junge Frau. »Er ist der

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