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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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einfach. Alles, was Sie gesehen haben, ist wirklich passiert. Doch nicht hier.«
    Scarlet sieht das Wintermädchen an. Die Nekir hatten sie betäubt, sie war in einen tiefen Schlaf gefallen. Dann war sie erwacht, an dieser Stelle. Sie war ins Plaza gegangen und hatte dort den Lichtlord getroffen. Er hatte sie schlafen lassen, und sie war in den Traumgefilden Lord Somnia begegnet.
    So war es doch gewesen?
    Oder etwa nicht?
    Virginia Dare, die ihre Gedanken errät, schüttelt den Kopf. »Es war nur ein Traum, dass Sie erwachten. Sie schlugen die Augen nur im Traum auf. An genau der Stelle, an der wir uns jetzt befinden, bloß in den Traumgefilden.« Sie betont es wieder und wieder. »Sie haben das Plaza nur in den Traumgefilden betreten.«
    »Und das, was wir erlebt haben?«
    »War ein weiterer Traum.«
    Mortimer Wittgenstein, der Jake zu kennen scheint, sagt nachdenklich: »Ein Traum in einem Traum.«
    »Also die Schlacht«, stammelt Scarlet, die Kopfschmerzen bekommt von all dem Durcheinander, »Morpheus, die Engel … das war ein Traum in einem Traum?« Sie muss es aussprechen, um es zu verstehen. Nur langsam werden die Worte zu etwas, was der Wirklichkeit nahekommt.
    Virginia Dare nickt.
    »Warum?« Scarlet sieht, dass ihr Hut im tiefen Schnee liegt. Sie hebt ihn auf.
    »Er ist noch immer dort«, sagt Virginia Dare, und es kann Furcht sein, die im Eis ihrer Augen schwimmt.
    »Wer?«, frage ich.
    »Morpheus.«
    »Er weiß nicht, dass es die Traumgefilde sind, in denen er sich aufhält?«
    Sie schüttelt den Kopf. »Er hat nur das gesehen, was auch Sie gesehen haben. Er glaubt das, was Sie geglaubt haben. Für ihn ist der Traum, in dem er lebt, die Wirklichkeit.«
    »Dann sind die Engel gar nicht gestorben?«, fragt Scarlet.
    »Es ist komplizierter, befürchte ich.«

    Scarlet seufzte.
    »Kommen Sie mit ins Plaza Hotel «, bittet Virginia Dare. »Denn dort wird es enden.«
    Scarlet sieht Jake an, der abgesehen von ein paar Kratzern wohlauf ist. Und Mortimer Wittgenstein ist in der Wirklichkeit genauso verlegen wie im Traum. Er ist der Mann, den Rima immer Lapislazuli nannte. Scarlet kann es noch immer nicht glauben, aber er ist wirklich hier. Nicht nur ein Traum in einem Traum . Ja, ihr fällt auf, dass er tatsächlich vor ihr steht und dass dies kein Traum mehr ist. Für einen kurzen Moment fragt sie sich, ob dies ein neuer Trick des Lichtlords ist, eine weitere Finte, die zu neuen Rätseln führt und neue Fallen bereithält.
    Die Frage, die sie stellt, klingt seltsam, selbst hier: »Kann es sein, dass wir tot sein müssten?« Die Erinnerungen sind wieder da: der Shah-Saz, der Rima und das Kind rettet, aber einen Preis verlangt, der grausam und ungerecht ist. Einen Preis, den Wittgenstein, Rima und das Kind zahlen. Die ewige Trennung voneinander, das war der Preis für die Heilung gewesen. Niemals durften sie einander sehen, sonst wäre es um sie geschehen. Das war der Fluch, der sie seit Brick Lane Market anno 1898 begleitet hatte.
    Mortimer Wittgenstein zuckt die Achseln. »Fragen Sie nicht mich.« Er stockt, weil er merkt, wie förmlich und distanziert die Anrede klingt. Er verbessert sich trotzdem nicht. »Ich weiß es nicht.«
    »Wie dem auch sei«, löse ich das Problem, »Sie leben beide, und das ist gut so. Wer schert sich da um Gründe.«
    Beide sehen mich an.
    »Sie ist immer so«, sagt Scarlet.
    »Danke«, sage ich.

    Wittgenstein sagt nichts.
    Dann gehen wir los.
    Erneut folgen wir dem gelben Steinweg, vorbei an den Winterwiesen und den Brücken über vereiste Flüsse und Seen.
    Wir erreichen Central Park South, schon wieder. Und zum ersten Mal an diesem Tag betreten wir das Plaza in der Hölle wirklich. Es sieht genauso aus wie das Hotel in den beiden Träumen. Die gleichen Korridore, die gleichen Hallen und Treppenhäuser. Die Kinder mit den Spiegelscherbenaugen sind da und auch der Mann an der Rezeption, der wie Ernest Hemingway aussieht und es vielleicht sogar ist. Wir kennen den Weg und laufen durch das Hotel, bis wir den Palm Court erreichen.
    In den Gängen stehen jetzt Engel, prächtig und erhaben. Sie sehen traurig aus, und in ihren Augen lodern Feuer, Eis und Wind. Sie sind angespannt, aber da ist auch Dankbarkeit und Demut in ihren Blicken. Sie summen Lieder: Cheek to cheek, Let’s face the music and dance und Anything goes. Manche von ihnen singen, andere summen nur.
    Lucifer und Lilith erwarten uns beim Lebensbaum.
    Und das Leben imitiert den Traum.
    Pairidaezas Stock sieht aus wie vorhin,

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