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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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tun. Die äußere Zeit wird vom Standort bestimmt.
    »Und in der Stadt unter der Stadt, da tickt die Zeit anders?«
    »Du hast es erfasst«, sagte Jake, und mit einem lauten Scheppern öffnete er die Tür.
    Scarlet war ganz bleich geworden. Sie ging auf und ab, gestikulierte mit beiden Händen und suchte nach Worten. »Das ist alles? Ich meine, das ist die Wahrheit, nach der ich gesucht habe?«
    »Nein«, ich schüttelte energisch den Kopf, »das ist nur ein Hinweis. Es ist ein Beginn.«
    »Warum sollte ich Ihnen auch nur einen Teil von all diesen Dingen glauben?« Scarlet trat einen Schritt zur Seite, weiter weg von der rostigen Tür und der schwarzen Finsternis dahinter. »Sagen Sie es mir – warum sollte ich Ihnen diese absurde Geschichte abkaufen?«

    »Weil wir keinen Grund haben, dich zu belügen«, antwortete Jake.
    Misstrauisch erwiderte Scarlet: »Woher soll ich das wissen?«
    Es war Buster Mandrake, der mit ruhiger Stimme die Wogen glättete. Es gibt Zeiten, da muss man denen, die einem zur Seite stehen, vertrauen. Es gibt keinen anderen Weg. Vertrauen ist ein erster Schritt, der schwer zu gehen ist.
    »Er hat recht. Beweise kann ich keine liefern.«
    Sie beruhigte sich.
    »Ich weiß nur, dass alles einen Sinn ergibt. Sie müssen etwas mit der Stadt unter der Stadt zu tun haben, denn ansonsten wäre es ein Leichtes gewesen, Sie mit Hilfe der offiziellen Behörden ausfindig zu machen.« Ich zog eine Taschenlampe aus der Manteltasche und schaltete sie ein. Der Lichtkegel wanderte in den Tunnel hinein, der vor uns lag. »Am Ende, Miss Scarlet, sind wir genauso schlau wie vorhin.«
    »Hm«, grummelte sie nur.
    »Aber wir werden Antworten finden, da bin ich mir sicher.«
    »Und dazu«, fügte Jake hinzu, »müssen wir nach Strawberry Fields.«
    Sie gab sich geschlagen. Mit hängenden Schultern und wachsamen Blicken folgte sie uns in den Tunnel hinein, der sich in dichtester Finsternis hinter der Tür auftat.
    »Es gibt viele Pfade, die hinab in die uralte Metropole führen, doch nicht alle sind sicher«, erklärte Jake und ging voran, leuchtete die niedrige Decke aus und mied die Löcher im Boden.
    Scarlet tat vorsichtig einen Schritt nach dem anderen.

    Es war nicht sehr kalt hier unten, nur ungemütlich.
    Schmutziges Wasser tropfte leise von der Decke, an der dicke Rohre entlangliefen. Von ferne durchdrang das Rumpeln der Züge die Finsternis.
    »Wo sind wir?«, fragte Scarlet nach einer Weile.
    »Über uns befindet sich der Central Park«, erklärte ich ihr. »Und vor uns, ja, vor uns liegt das Zeitalter des Wassermanns.«
    Eine riesenhafte Gestalt schälte sich plötzlich aus der Dunkelheit, und bevor Scarlet noch etwas sagen konnte, verneigte ich mich, so tief es nur ging. Jake tat es mir gleich, und selbst Buster Mandrake, der sich mir sanft in die Schulter krallte, neigte sein Köpfchen.
    »Das«, sagte ich, »ist der Wächter von Strawberry Fields.«
    Da verneigte sich auch Scarlet vor dem Elefantenkopfgott, der hier unten lebte, und der Zugang zum Zeitalter des Wassermanns wurde uns gewährt.
     
    Ganesh, der Elefantenkopfgott, schrumpfte, als er keine Gefahr mehr witterte. Sein Rüssel, der mit kleinen Glöckchen behängt und mit bunten Motiven bemalt war, streckte sich aus und berührte jeden einzelnen der Fremden, die hierhergekommen waren.
    Er sprach in einer Sprache, die Scarlet nicht verstand. Es waren Laute, die wie Musik klangen und so filigran waren, dass man sie einem so gewaltigen Gott gar nicht zugetraut hätte. Erst als er auf die Größe eines Menschen geschrumpft war, wirkte er nicht mehr Furcht einflößend.
    »Das magische Zeitalter des Wassermanns«, sagte ich. »Das ist die Welt, von der diejenigen, die hier leben, immer geträumt haben. Strawberry Fields Forever.«

    Hinter Ganesh öffneten sich aus der Finsternis heraus karmesinrote Vorhänge und gaben den Blick auf eine sonderbar fremde und zugleich vertraute Welt frei, die voller Musik und Farben und Gefühle zu sein schien.
    Vorsichtig traten wir ein, trotz aller Freundlichkeit des Gottes.
    Scarlet blickte in eine Höhle, die hell erleuchtet war. Alle Furcht, so dunkel und knotig sie auch gewesen sein mochte, schwand in ihr im Aufblitzen eines Augenblicks. Dies war einfach nur ein schöner Ort, es anders zu umschreiben, wäre dem allen nicht gerecht geworden. Orange und rot glühten die Wände, in denen lodernde Fackeln steckten. Überall brannten Lichter: Laternen und Lagerfeuer, Kerzen und Lampions. Alles war wunderbar bunt

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