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Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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seine Augen funkelten. »Das haben Sie mich gestern auch gefragt.«
    »Und was haben Sie geantwortet?«
    »Die Wahrheit«, erwiderte er, »immer nur die Wahrheit. Ich ging damals in die Wälder, um zu leben. Ja, dem engen Leben, das überall um mich herum war, wollte ich entsagen, und alles, was nicht richtiges Leben war, sollte mich von nun an nicht mehr belasten. Ich arbeitete als Gärtner und Bleistiftmacher, als Essayist und Lehrer.« Er ließ seinen Blick in die Ferne schweifen. »Walden Pond!« Diese Worte sprach er aus wie den Namen eines guten Freundes. »Dorthin begab ich mich, mitten in die Wildnis. So frei fühlte ich mich damals, kaum zu glauben, dass es bereits so lange her ist.« An mich gerichtet, fragte er neugierig: »Haben Sie mein Buch gelesen?«
    »Ich habe alle Ihre Schriften gelesen«, gestand ich ihm. »Einige sogar im Jahr ihres Erscheinens.«
    Er lächelte und steckte sich die Pfeife an. »Oh, wie schön.« Dann schaute er mich voller Neugierde an und fragte: »Woher kommen Sie, Anthea Atwood?«
    »Aus Brooklyn.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das meine ich nicht.«
    Ich seufzte.
    Sagte es ihm.
    »Dann haben Sie viel erlebt, und Sie wissen, wozu die Menschen fähig sind.«
    Ich nickte nur.
    Nichts lag mir ferner, als jetzt darüber zu sprechen.
    »Nun denn, nun denn, ich lebe nicht hier unten, um jung zu bleiben. Das wäre dumm. Nein, ich habe erkannt, dass das Zeitalter des Wassermanns genau hier, an diesem Ort beginnt.
Und letzten Endes habe ich damals in den Wäldern nichts anderes gesucht als das Zeitalter des Wassermanns.« Er blies den Rauch in die Luft und seufzte. »Erst vor wenigen Jahren habe ich dann erkannt, dass ich es die ganze Zeit über schon gefunden hatte.« Er schaute sich nachdenklich um, atmete den Duft des dichten Waldes ein. »Aber nun zu Ihnen«, kam er auf Scarlet zurück. »Schmerzt die Wunde noch?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sie kennen mich wirklich, nicht wahr?«
    »Warum so zögerlich? Ja, Sie waren gestern bei mir, aber das sagte ich doch schon. Wegen der Wunde an Ihrer Stirn. Einer der Ticktackmänner aus dem Dakota hat Sie geschickt, sagten Sie. Das ist alles. Ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, Sie zu kennen. Es dauert so lange, bis man einen Menschen kennt.«
    »Aber Sie haben mich geheilt?« Scarlet schilderte ihm ihr eigentliches Problem.
    Er sah fröhlich aus. »Ich bin der Heiler von Strawberry Fields. Natürlich habe ich Sie geheilt. Hier unten kennt sich niemand besser mit Kräutern aus als ich.«
    »Und dann?«
    Er zuckte die Achseln. »Na, dann sind Sie gegangen.«
    »Das ist alles?«
    »Ja, was sollte sonst noch passiert sein?«
    Jake fragte: »Wissen Sie, wohin sie gegangen ist?«
    Thoreau schüttelte den Kopf.
    »Haben wir geredet? Ich meine, habe ich Ihnen etwas erzählt? Irgendetwas?«
    »Nein, Sie waren sehr schweigsam. Und Sie sahen wütend aus, ja, außerordentlich wütend sogar.« Er nahm einen langen Zug aus der Pfeife. »Nun ja, und dann kam der Indianer.«

    Scarlet horchte auf.
    Jake ebenso.
    »Wer?«, hakte Scarlet nach.
    »Der Indianer.«
    »Welcher Indianer?«
    »Ihr Freund.«
    Scarlet schluckte. »Ich …« Die Neuigkeit ließ ihre Hände zittern. Sie konnte sich einfach nicht an einen Freund erinnern. Sie berührte das Amulett an ihrem Hals.
    Jake rückte seine Brille zurecht, schaute von Scarlet zu Thoreau, von Buster zu mir.
    »Er hatte Sie gesucht und war besorgt. Sie flüsterten, redeten, die Worte sprudelten nur so aus Ihnen heraus. Ich bin nach hinten gegangen, weil ich nicht lauschen wollte. Ich bin eben ein höflicher Mensch. Sie haben gestritten, das war nicht zu übersehen, aber worum es ging, das kann ich nicht sagen.«
    »Sie haben keine Ahnung?«
    »Nein, habe ich nicht. Aber Sie haben ihm etwas erzählt«, gestand er, »was ihn außerordentlich wütend gemacht hat. Vermutlich haben Sie ihm davon berichtet, wie Sie zu der Wunde gekommen sind.« Er sog an der Pfeife. »Aber, nein, das ist nur eine Vermutung … und doch, lassen Sie mich nachdenken … da war ein Wort, das Sie ihm gesagt haben.«
    »Welches Wort?«
    » Croatoan .«
    »Nie gehört.«
    »Ja, das war es, ich bin mir ziemlich sicher. Croatoan . Der Indianer war ganz aufgeregt, als er es gehört hat.«
    Der Indianer, wie fremd das klang.
    Hatte sie wirklich einen indianischen Freund gehabt? Und
wenn ja, was war ihm zugestoßen? »Wie kommen Sie darauf, dass er ein Indianer war?« Da waren keinerlei Gefühle, dem unbekannten Freund gegenüber.

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