Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia

Titel: Die uralte Metropole Bd. 4 - Somnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
Vom Netzwerk:
und friedlich.
    Scarlet staunte.
    Das war alles, was sie im Moment tun konnte.
    Strawberry Fields befindet sich tief unterhalb des Central Park West. Es ist eine Ebene in den weiten Höhlen, deren hohe Wände mit exotischen Gewächsen bedeckt sind, die rot sind wie Erdbeeren, hell wie Orangen, gelb wie Zitronen und die sich von der Musik ernähren, die hier unten gespielt wird. Es ist ein fröhlicher Ort, an dem sich langhaarige Hippies und Cherokee-Händler aus den westlichen Gewölbewelten treffen, um in Ruhe gemeinsam Wasser- und Kräuterpfeifen zu rauchen. An hölzernen Ständen werden selbst gefertigte Waren feilgeboten, ein kunstvoller Krimskrams aus Holz und Ton, Stoff und Metall, Stein und Blüten. Fakire sitzen auf ihren Nagelbrettern und lesen Burroughs, Ginsberg und Kerouac, haben Melodien von Joplin, Morrison und Hendrix im Ohr. Feuerschlucker schlucken Feuer und speien es hinaus in die kunterbunte Welt, in der es nach frischen
Erdbeeren duftet, so dicht und intensiv und allgegenwärtig, dass man sich auf einem Feld unter freiem Himmel wähnt, auf einem Feld voller frischer Erdbeeren, in der Hitze des Hochsommers, während die Bienen surren und Libellen über das klare Wasser der Seen flitzen. Männer und Frauen und Wesen, von denen Scarlet nicht wusste, was genau sie waren, trugen lange Haare und wallende Batikgewänder in allen möglichen Farben und mit den verschiedensten Blumenmustern.
    »Ich kann mich nicht daran erinnern, schon einmal hier gewesen zu sein«, murmelte Scarlet.
    »Und doch waren Sie es«, stellte ich fest. »Faszinierend, nicht wahr? Alles ist so … einzigartig. So wunderbar!«
    Scarlet wusste nicht genau, was sie von alledem halten sollte. »Sie sehen so aus, als seien auch Sie noch niemals zuvor hier gewesen«, bemerkte sie und ließ die Eindrücke sie bestürmen.
    »Doch, doch, ich war schon oft hier«, antwortete ich. »Aber es ist jedes Mal aufs Neue wunderbar.« Ich breitete die Arme aus, löste meinen Schal und lief den Weg mit den roten Steinchen entlang. »Man fühlt sich so frei. Ah, und die Musik!«
    »Ist sie oft in dieser Stimmung?«, fragte Scarlet.
    »Manchmal«, antwortete Jake.
    Scarlet nahm das zur Kenntnis. Sie war also schon einmal hier gewesen, das hatte auch der Uhrwerkmensch ihr gesagt. Sie suchte nach kleinen Hinweisen in ihrem Kopf, doch sie fand keinen einzigen.
    »Dort drüben sind die Überreste des Waisenhauses«, erklärte Jake.
    Scarlet wusste nicht, worauf er hinauswollte. »Welches Waisenhaus?
« Sie sah ein großes Haus, roter Backstein mit dunklen Dachziegeln. Blumen wuchsen in seinen Fenstern.
    »Strawberry Fields«, sagte er nur. »Du kennst doch den Song?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann ja nicht einmal richtig Klavier spielen.«
    Jake erklärte es ihr. »Früher gab es an diesem Ort hier gar nichts. Es war nur eine riesige Höhle, die unbewohnt war. Doch dann kam Ganesh. Und nach ihm das Waisenhaus. Ja, du hast mich richtig verstanden. Es kam den langen Weg aus der Alten Welt. Keiner weiß genau, wie es das gemacht hat. Aber dann, auf einmal, war es plötzlich da, zwei Tage nachdem John Lennon gestorben war. Am Tag nach seinem Tod wurde Ganesh zum ersten Mal gesichtet, und dann tauchte das Waisenhaus auf, einfach so, und seitdem lebt es dort drüben, wo du es jetzt siehst. Es war da und mit ihm all die Kinder, die in ihm gelebt hatten. Und dann begann auf einmal alles zu wachsen und immer weiter zu wachsen. Pflanzen in allen Regenbogenfarben wuchsen aus den Felsen, es gab Erdbeerfelder in den Katakomben östlich von hier, und die Hippies, die in den Tiefen von Greenwich gelebt hatten, kamen alle an diesen Ort, um ihre neue Welt zu bevölkern.«
    »Und das Waisenhaus …«
    »Es stammte aus Woolton«, erklärte Jake, »irgendwo nahe Liverpool, in England. Es war das Waisenhaus, vor dem der junge John Lennon mit seinen Freunden Fußball gespielt hatte. Es tauchte hier unten auf, als die Menschen oben in den Straßen um ihn trauerten. Und es blieb. Bis zum heutigen Tage. Und all die Wunder, die du hier siehst, kamen mit ihm.«
    Eine schöne Geschichte, nicht wahr?, kommentierte Buster.

    »Und die Kinder?«, fragte Scarlet.
    »Es waren verlorene Kinder. Ohne Eltern und Zukunft und erst recht ohne Vergangenheit.«
    Aber alle mit Musik im Blut , sagte Buster.
    »Und Farben in den Augen«, merkte ich an.
    »Sie wuchsen hier unten auf, in dieser Gegend?«
    Er nickte. »Ja, genau, sie wuchsen hier unten auf, und manchmal gingen sie nach oben in

Weitere Kostenlose Bücher