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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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mit lähmendem Entsetzen, das ich unmöglich beschreiben kann. Silben entrissen sich meiner Brust; ich konnte sie ebensowenig zurückhalten, wie ich mein Herz zu beruhigen vermochte. »Das ist unser Matachin-Turm! Und hier der Hexenturm – aber der ist jetzt gerade! Und dort der Bärenturm!«
    »Man nennt dich einen Heiligen«, sagte sie. »Aber du bist, wie ich sehe, völlig übergeschnappt.« Dabei hielt sie mir die Hände hin, damit ich sähe, daß sie unbewaffnet war, und schenkte mir ein schräges Lächeln, das mir genug Warnung hätte sein sollen, falls der Offizier mich nicht schon gewarnt hätte. Es war offensichtlich, daß der Knabe keine Waffe trug und keine Bedrohung darstellte; sicherlich hatte sie unter ihrer üppigen Uniform eine Pistole oder Schlimmres.
    Die meisten werden es nicht wissen, aber es ist nicht einfach zu lernen, mit aller Kraft auf einen Mitmenschen einzuschlagen; ein Urinstinkt hemmt selbst den Brutalsten und mildert seinen Hieb. Als Folterer habe ich gelernt, diese Hemmung zu überwinden. Ich versetzte ihr mit der Handkante einen Schlag gegen das Kinn, wie ich nie heftiger zugeschlagen hatte in meinem Leben, und sie sackte zusammen wie eine Gliederpuppe. Ich trat gegen die Laterne, die, während ich die Flucht ergriff, dem Knaben aus der Hand flog und erlosch.
    Der Wächter an der Ausfallpforte erhob sein Schwert, aber nur um den Weg zu versperren. Ich wirbelte herum und wollte in den Bruchhof rennen.
    Der Schmerz, der mir in dem Moment in die Glieder fuhr, war grausam wie der Schmerz des Revolutionärs und von allen Schmerzen, die ich erfahren habe, allein damit vergleichbar. Ich wurde halbiert, und das Zerteilen der Glieder zog und zog sich: das Vierteilen durchs Schwert wäre nichts dagegen gewesen. Der Boden unter mir schien zu beben und sich zu drehen, selbst als mich der tückische Schmerz nicht mehr durchzuckte und ich im Dunkeln liegen blieb. Alle mächtigen Geschütze der Schlacht von Orithyia donnerten zugleich.
    Dann war ich in die Welt von Yesod zurückgekehrt. Ihre reine Luft füllte mir die Lungen, und das Lied ihrer Winde beschwichtigte mein Ohr. Ich setzte mich auf und mußte feststellen, daß es nur Urth war, wie sie jemand erführe, der Abaddon erlebt hätte. Als ich mich erhob, dachte ich an all den Beistand, den ich diesem geschundenen Leib geschickt hatte; dennoch waren die Arme und Beine steif und kalt und tat jedes Gelenk noch weh.
    Ich hatte auf einer Pritsche gelegen in einer Kammer, die mir seltsam vertraut schien. Die Tür aus gediegenem Metall, die ich in Erinnerung hatte, war nun durch ein Eisengitter ersetzt; ich schaute hinaus in den schmalen Gang, dessen Windungen mir seit der Kindheit vertraut waren. Dann wandte ich mich wieder der Kammer zu.
    Es war die Schlafkammer, die Roche als Geselle bewohnt hatte, und just in diesem Raum hatte ich Zivilkleidung angelegt vor unserm Ausflug ins Azurne Haus. Ich machte große Augen. Roches etwas breiteres Bett hatte genau dort gestanden, wo nun meine Pritsche stand. Die Position der Luke (ich entsann mich, sehr über Roches Luke gestaunt und später ein Zimmer ohne Luke bekommen zu haben) und die Winkel der Wände waren unverkennbar.
    Ich trat zur Luke. Sie war offen und ließ die kühle Luft ein, die mich geweckt hatte. Vergittert war sie nicht; aber es hätte natürlich niemand über die glatten Turmwände klettern können, und nur ein Wicht von Mensch brächte die Schultern hindurch. Ich steckte den Kopf hinaus.
    Unter mir lag, in der spätsommerlichen Sonne brütend, der Alte Hof, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Die gesprungenen Pflastersteine wirkten vielleicht ein bißchen neuer, aber ansonsten war alles gleich. Der Hexenturm stand nun schief, genauso schief, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Die Mauer war eingefallen genau wie zu meiner Zeit, wobei die unschmelzbaren Metallplatten teils im Alten Hof, teils in der Nekropolis lagen. Ein einsamer Geselle (für einen solchen hielt ich ihn) stand an der Leichenpforte, und obwohl er eine wunderliche Uniform trug und ein Schwert hielt, wie ich es vom Bruder Pförtner nicht kannte, stand er, wo Bruder Pförtner immer gestanden hatte.
    Bald überquerte ein Lehrling in Lumpen, wie auch ich einer gewesen war, auf irgendeinem Besorgungsgang den Alten Hof. Ich winkte und schrie ihm, und als er heraufschaute, erkannte ich ihn und rief ihn beim Namen. »Reechy! Reechy!«
    Er winkte zurück und ging hurtig weiter, fürchtete er doch, dabei ertappt zu werden, wie er mit einem

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