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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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wieder eins.« Er kicherte. »Obwohl nach dieser Nacht mancher sich eines Beßren hat belehren lassen, kann ich mir vorstellen.«
    Er war schon auf dem Weg hinaus. Der Geselle schmetterte meine Tür ins Schloß und sperrte ab.
    Ich dachte an Dr. Talos’ Schauspiel, in dem der Boden bebt und Jahi sagt: »Das Ende der Urth, ihr Narren. Los, erstecht sie! Ihr seid sowieso am Ende.«
    Wie wenig ich mit ihm gesprochen hatte auf der Welt von Yesod.
     

 
Das Buch der Neuen Sonne
     
    Wie zu meiner Zeit gab es für die Gefangenen zwei Mahlzeiten pro Tag, und die Wasserkanne wurde beim Abendessen aufgefüllt. Der Lehrling trug mein Tablett herein, zwinkerte mir zu und kehrte, als der Geselle nicht in der Nähe war, mit Käse und einem frischen Laib Brot zurück.
    Das Mahl am Abend war ebenso karg wie das Mahl am Morgen; so bedankte ich mich und aß, was er mir gebracht hatte. Er hockte sich vor meine Zellentür. »Darf ich mit Euch sprechen?« Ich sagte, ich könne ihm keine Vorschriften machen und er kenne die Gepflogenheiten dieses Hauses wahrscheinlich besser als ich. Er errötete, wobei die dunklen Wangen noch dunkler anliefen. »Ich meine, wollt Ihr mit mir sprechen?«
    »Wenn du dir damit keine Tracht Prügel einhandelst.«
    »Ich glaube nicht, daß es Ärger gibt, im Moment wenigstens nicht.
    Aber wir sollten leise sprechen. Vielleicht sitzen irgendwo Spione.«
    »Woher weißt du, daß ich keiner bin?«
    »Weil du sie umgebracht hast, natürlich. Das ganze Haus steht kopf.
    Jeder ist froh, daß sie hin ist, aber es wird bestimmt eine Untersuchung geben, und wer zu ihrem Nachfolger bestimmt wird, darüber tappen wir im dunkeln.« Er machte eine Pause und überlegte offenbar angestrengt, ehe er mit der Sprache herausrückte. »Die Wächter behaupten, Ihr hättet gesagt, Ihr könntet sie zurückholen.«
    »Und das möchtest du nicht?«
    Er winkte ab. »Hättet Ihr es gekonnt? Wirklich wahr?«
    »Weiß nicht. Müßte es ausprobieren. Es wundert mich freilich, daß  man dir davon erzählt hat.«
    »Ich stehe viel herum bei ihnen, höre ihnen zu, wichse ihre Stiefel oder erledige Besorgungen gegen Geld.«
    »Geld habe ich keines für dich. Die Soldaten, die mich verhaftet haben, haben mir alles weggenommen.«
    »Ich hab’s nicht auf Geld abgesehen.« Er stand auf und wühlte in einer Tasche seiner zerlumpten Hosen. »Hier, nehmt das ruhig.«
    Er hielt es mir hin: abgegriffene Messingmünzen, die mir fremd waren. »Damit könnt Ihr Euch gelegentlich zusätzliches Essen bringen lassen oder dergleichen.«
    »Du hast mir eine Extraportion gebracht, und ich habe dich nicht bezahlt.«
    »Nehmt es schon!« beharrte er. »Ich will es Euch schenken. Ihr werdet es vielleicht noch mal brauchen.« Da ich die Hand nicht danach ausstreckte, warf er die Münzen durchs Gitter und verschwand im Gang.
    Ich hob sie auf und steckte sie ein. Die Sache war mir ein Rätsel.
    Draußen war es mit dem Abend kühl geworden, und die Luke stand noch offen. Ich schob den schweren Glasdeckel zu und verriegelte ihn. Die breiten glatten Flansche, auf deren eigenartige Form ich nie geachtet hatte, waren eindeutig dazu bestimmt gewesen, dem All standzuhalten.
    Während ich Brot und Käse aufaß, dachte ich an unsre Heimfahrt zur Urth auf dem Tender und meinen Triumph an Bord von Tzadkiels Schiff. Wie wunderbar wäre es, könnten wir diesen alten Matachin-Turm hinaus zu den Sternen schießen! Und dennoch hatte der Turm etwas Finstres an sich wie alles, das zu Hehrem geschaffen ist, aber zu schäbigen Zwecken mißbraucht wird. Ich war hier aufgewachsen und hatte nichts von alledem empfunden. Nachdem ich Brot und Käse verzehrt hatte, hüllte ich mich in den Umhang, den der Offizier mir gegeben hatte, verdunkelte mit dem Arm die Augen und versuchte zu schlafen.
    Der neue Morgen brachte neuen Besuch. Burgundofara und Hadelin kamen zu mir im Geleit eines hochgewachsenen Gesellen, der mit seiner Waffe salutierte und sie vor meiner Tür stehen ließ. Die Verblüffung war mir sicherlich anzusehen.
    »Geld wirkt Wunder«, sagte Hadelin; der verzerrte Mund verriet, wie weh ihm das Sümmchen getan hatte, und ich fragte mich, ob Burgundofara den Sold, den sie vom Schiff mitbrachte, verheimlicht hatte oder ob er dieses Geld nun als sein Eigen betrachtete.
    Burgundofara erklärte: »Ich mußte dich unbedingt ein letztes Mal sehen, und Hadelin fädelte die Begegnung ein.« Sie wollte mehr sagen, aber die Wörter blieben ihr im Hals stecken.
    Hadelin sagte: »Sie will,

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