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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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gepflegten Maschinen doch von Generation zu Generation weitergereicht. Der Vingtner befahl mir, mich auf den Boden zu legen. Ich gehorchte, aber fragte den Chiliarchen (einen Mann mit scharf geschnittenem Gesicht um die Vierzig), ob ich nicht über die Seite hinausschauen dürfe beim Fliegen. Dieser Wunsch wurde mir versagt, fürchtete er zweifelsohne doch, daß ich ein Spion wäre – was ich in mancherlei Hinsicht in der Tat war. So mußte ich mich damit begnügen, mir Ymars Abschiedswinken vorzustellen.
    Die elf Wächter, die hinten Platz nahmen, verschwanden wie Gespenster in den Pointillé-Polstern und wurden nahezu unsichtbar dank der katoptrischen Rüstung meiner Prätorianer, die, wie ich bald merkte, tatsächlich meine eigenen Prätorianer waren, deren Rüstung und – was noch wichtiger war – deren Traditionen von dieser sagenhaften Frühzeit bis in meine Tage weitergereicht worden waren. Meine Leibwächter waren zu meinen Wächtern geworden: zu meinen Wärtern.
    Weil der Flieger durch den Himmel schwirrte, wo ich gelegentlich Wolkenstreifen sah, vermutete ich, daß unsre Reise kurz war; aber es dauerte mindestens eine Wache, wenn nicht zwei, bis der Flieger sank und die Landeleine geworfen wurde. Düstere Wände aus gewachsenem Fels schossen zur Linken auf, drehten sich und verschwanden außer Sicht.
    Als unser Pilot die Kuppel einfahren ließ, peitschte mir dermaßen kalter Wind ins Gesicht, daß ich mich in die südlichen Eisfelder versetzt glaubte. Ich stieg aus und sah statt dessen eine hoch aufragende Ruine aus Schnee und zertrümmertem Stein. Überall ringsum lugten zerklüftete, anonyme Gipfel durch dichtgepackte Wolken. Wir waren im Gebirge, einem Gebirge, das noch nicht an in Stein gehauene Menschenköpfe erinnerte – einem ungeformten Gebirge also, wie es in den ältesten Büchern zu sehen ist. Ich hätte dagestanden und darauf gestarrt bis zum Abend, hätte mich nicht eine schallende Ohrfeige niedergestreckt.
    Ich stand auf, von ohnmächtigem Zorn gepackt. Seit meiner Ergreifung zu Saltus hatte ich derartige Mißhandlungen hinnehmen müssen, bis ich mich schließlich mit dem Offizier anfreunden konnte. Nun glaubte ich, nichts erreicht zu haben, glaubte, daß es von Neuem beginne und immer wieder beginnen sollte, vielleicht gar bis zum Tode. Ich faßte den Vorsatz, es nicht soweit kommen zu lassen. Ehe der Tag um wäre, würde das Messer, das ich im Stiefelschaft stecken hatte, ein Leben beenden.
    Mittlerweile strömte mir selbst das Leben aus dem sausenden Ohr, das brannte wie nach einem Guß aus dem Kochkessel auf unterkühlte Haut. Ich wurde in einen weitaus größeren Strom getrieben, einen rasenden Zug aus geräumigen Loren mit noch mehr Gestein darin, Loren, die ohne Zugochsen oder Sklaven rollten, mochte die Steigung auch noch so steil sein, und dichte Staub- und Rauchwolken aufwarfen in die strahlende Luft und wie Bullen brüllten, wenn wir ihnen in den Weg traten. Hoch droben im Berg meißelte ein Riese in Rüstung mit ehernen Händen Gestein heraus, der kleiner als eine Maus wirkte.
    Die hastenden Loren wurden von hastenden Leuten abgelöst, als wir durch schlichte, geradezu schäbige Hütten hetzten, deren offene Türen wunderliches Gerät und seltsame Maschinen erkennen ließen. Ich fragte den Chiliarchen, den ich umbringen wollte, wohin er mich gebracht habe. Er gab dem Vingtner ein Zeichen, woraufhin mir der Vingtner abermals eine Ohrfeige mit dem geharnischten Handschuh verpaßte.
    In einem Rundbau, der größer war als alle andern, wurde ich durch Gänge getrieben, die mit Kabinetten und Sitzen gesäumt waren, bis wir in der Mitte zu einem runden Vorhang, der an ein Zelt oder einen Pavillon erinnerte, gelangten. Mittlerweile hatte ich den Bau wiedererkannt.
    »Du wartest hier«, befahl der Chiliarch mir. »Der Monarch spricht mit dir. Wenn du gehst, wirst du …«
    Von der andern Seite des Vorhangs rief eine Stimme, von Wein belegt, aber dennoch vertraut: »Fesseln abnehmen.«
    »Zu Diensten, Gelobter!« Der Chiliarch nahm erschrocken Haltung an und salutierte zusammen mit seinen Wächtern. Alle standen wir momentan wie entrückt da.
    Als die Stimme sich nicht mehr meldete, löste der Vingtner die Fesseln meiner Hände. Der Chiliarch flüsterte: »Wenn du gehst, wirst du nichts sagen von dem, was du gehört oder gesehen hast, oder du wirst sterben.«
    »Irrtum«, erwiderte ich. »Du bist derjenige, der sterben wird.«
    Jähe Furcht trat ihm in die Augen. Ich war mir ziemlich

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