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Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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das mich nun ergriff, weniger zu tun. Wenn ich überhaupt etwas wußte (obwohl ich mir da gar nicht sicher war), so dies: daß ich kein amouröses Abenteuer anfangen wollte.
    »Dann gehen wir – gehen wir weg von hier, wozu du drängst – und reden. Heute nachmittag hast du eine Menge Fragen gehabt.«
    »Jetzt habe ich keine Fragen«, erklärte ich ihr. »Ich muß überlegen.«
    »Tja, das müssen wir alle«, säuselte sie. »Immer, nahezu immer.«
    . Wir gingen eine lange weiße Straße hinunter, die sich schlängelte wie ein Flußbett, so daß die Steigung nie steil war. Gespenstische Häuser aus bleichem Stein säumten sie. In den meisten war es still, aber aus dem einen oder anderen drangen festliche Geräusche, das Klirren von Gläsern, Melodien und das Stampfen tanzender Füße; niemals indes menschliche Stimmen.
    Nachdem wir mehrere Häuser passiert hatten, sagte ich: »Euer Volk spricht nicht, wie wir sprechen. Wir würden sagen, sie sprechen überhaupt nicht.«
    »Soll das eine Frage sein?«
    »Nein, das ist eine Feststellung, eine Beobachtung. Als wir in den Vernehmungssaal gingen, sagtest du, du seist unserer Zunge nicht mächtig, wie auch ich eurer Zunge nicht mächtig sei. Niemand sei eurer Zunge mächtig.«
    »Das habe ich metaphorisch gemeint«, erklärte sie. »Wir haben ein Verständigungsmittel, das ihr nicht habt, dafür benutzen wir das eure nicht.«
    »Du sprichst in Rätseln«, sagte ich, obwohl ich mit den Gedanken woanders war.
    »I wo. Ihr sprecht durch Laute, wir durch Stille.«
    »Du meinst durch Zeichen.«
    »Nein, Stille. Ihr bildet im Kehlkopf einen Laut und moduliert ihn mit Gaumen und Lippen. Das tut ihr schon so lange, daß ihr beinahe vergessen habt, daß ihr es tut; aber als du noch ganz klein warst, mußtest du es lernen, wie es jedes Kind lernen muß, das eurer Rasse geboren wird. Wir könnten das auch, wenn wir wollten. Horch!«
    Ich lauschte und hörte ein weiches Gurgeln, das offenbar nicht von ihr stammte, sondern aus der Luft neben ihr kam. Es klang, als hätte sich ein Stummer ungesehen zu uns gesellt und gäbe einen Krächzlaut von sich. »Was war das?« fragte ich.
    »Aha, du hast also offenbar doch Fragen. Was du gehört hast, ist meine Stimme. So rufen wir gelegentlich, wenn wir verletzt sind oder Hilfe brauchen.«
    »Ich verstehe nicht«, sagte ich. »Ich will es gar nicht verstehen. Ich möchte allein sein mit meinen Gedanken.«
    Zwischen den Häusern standen viele Springbrunnen und Bäume, Bäume, die mir trotz der Dunkelheit groß, seltsam und herrlich vorkamen. Das Wasser der Brunnen war nicht parfümiert wie die meisten Brunnen in den Gärten des Hauses Absolut, aber das reine Wasser von Yesod duftete lieblicher als jedes Parfüm.
    Es blühten dort auch Blumen, wie ich beim Aussteigen aus dem Flieger gesehen hatte und wie ich es am nächsten Morgen sehen sollte. Die meisten hatten zum Schutz die Blüten geschlossen, und nur ein paar bleiche Mondreben waren offen, obwohl es einen Mond nicht gab. Schließlich endete die Straße am kühlen Meer. Dort waren die kleinen Boote von Yesod festgemacht, wie ich es von der Luft aus gesehen hatte. Dort waren auch viele Frauen und Männer zu Gange, die hin und her eilten zwischen den Booten und zwischen den Booten und dem Strand. Hie und da stieß ein Boot ab ins dunkle plätschernde Wasser, und gelegentlich kam ein neues Boot hinzu mit Segeln in vielen Farben, die ich kaum ausmachen konnte. Licht sah man nur selten.
    Ich sagte: »Ich war einmal so töricht zu glauben, Thecla sei am Leben. Es war eine Täuschung, die mich in die Mine der Menschen-Affen lockte. Agia steckte dahinter, deren toten Bruder ich heute sah.«
    »Du verstehst nicht, was dir widerfahren ist«, stellte Apheta fest. Sie klang beschämt. »Deshalb bin ich hier, um’s dir zu erklären. Aber ich erkläre es erst, wenn du bereit bist, wenn du mich fragst.«
    »Und wenn ich nicht frage?«
    »Dann erkläre ich es nicht. Obschon es wohl besser wäre, wenn du es wüßtest, insbesondere wenn du die Neue Sonne bist.«
    »Ist euch die Urth wirklich so wichtig?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Warum dann die ganze Mühe mit ihr und mir?«
    »Weil uns deine Rasse wichtig ist. Es wäre weit weniger mühsam, könnten wir sie auf einmal abfertigen, aber ihr seid über Abertausende von Welten verstreut, so daß wir es nicht können.«
    Ich schwieg.
    »Die Entfernungen zwischen den Welten sind gewaltig. Wenn eins unserer Schiffe von einer Welt zur andern fliegt, soweit

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