Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Urth der Neuen Sonne

Die Urth der Neuen Sonne

Titel: Die Urth der Neuen Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
Vom Netzwerk:
jetzt sind sie wieder da, auch Fragen über sie.«
    Apheta sagte: »Aber du bist erschöpft.« Ich nickte dazu.
    »Morgen mußt du Tzadkiel gegenübertreten, und bis morgen ist es nicht mehr lang. Unsere kleine Welt dreht sich schneller als eure; ihre Tage und Nächte werden dir kurz vorkommen. Willst du bei mir bleiben?«
    »Gern, Frau.«
    »Du hältst mich für eine Königin oder dergleichen. Erstaunt es dich, wenn du hörst, daß ich einen einzigen Raum bewohne? Schau!«
    Ich schaute und sah ein von Bäumen verdecktes Tor, nur ein Dutzend Schritt vom Wasser entfernt.
    »Gibt es keine Gezeiten hier?« fragte ich.
    »Nein. Ich weiß, was das bedeutet, weil ich mich kundig gemacht habe über eure Welt – deshalb wurde ich dazu bestimmt, die Seeleute zu holen und anschließend mit dir zu reden. Aber Yesod, das keinen Gefährten hat, hat auch keine Gezeiten.«
    »Du hast von Anfang an gewußt, daß ich der Autarch bin, nicht wahr? Wenn du dich vertraut gemacht hast mit Urth, so hast du das sicherlich gewußt. Daß Zak die Handschellen bekommen hat, das war nur ein Trick.«
    Sie gab keine Antwort, obwohl wir mittlerweile an das dunkle Tor gelangt waren. Eingelassen in eine Mauer aus weißem Stein, wirkte es wie ein Eingang zu einer Gruft; aber die Luft darin war frisch und gut wie überall auf Yesod.
    »Du mußt mich führen, Frau«, sagte ich. »Ich kann nichts sehen, so stockfinster ist es.«
    Kaum hatte ich das gesagt, ging Licht an, ein schwaches Licht wie von Kerzenschein auf beschlagenem Silber. Es kam von Apheta selbst und pulsierte wie ein schlagendes Herz.
    Wir standen in einem weiten Raum, der ringsum mit schweren Musselin-Vorhängen ausstaffiert war. Auf einem grauen Teppich waren Sessel und Diwane verteilt. Vorhang für Vorhang wurde aufgerissen, und hinter jedem sah ich das gefaßte Gesicht eines Mannes; nachdem er uns eine Weile betrachtet hatte, ließ jeder Mann den Vorhang zufallen.
    »Du wirst gut bewacht, Frau«, meinte ich. »Aber du hast von mir nichts zu befürchten.«
    Sie lächelte, ein im Schein des eigenen Lichtes seltsam anmutendes Lächeln. »Du würdest mir jeden Moment die Kehle durchschneiden, wenn das deine Urth retten könnte. Da brauchen wir uns nichts vormachen. Oder dir selbst die Kehle durchschneiden, denke ich.«
    »Ja. Ich hoffe es zumindest.«
    »Aber das sind nicht meine Beschützer. Mein Licht bedeutet, daß ich bereit bin zur Paarung.«
    »Und wenn ich’s nicht bin?«
    »Dann suche ich mir einen andern aus, während du schläfst. Das wird eigentlich kein Problem sein, wie du siehst.«
    Sie schob einen Vorhang auf, und wir betraten einen breiten Korridor, der nach links abbog. Darin waren Sitzgelegenheiten verteilt, wie ich sie draußen gesehen hatte, und viele andere Dinge, die mir so rätselhaft vorkamen, wie die Gerätschaften in Baldanders’ Schloß, wenngleich diese nicht schrecklich, sondern nett anzusehen waren. Apheta ließ sich auf einem Diwan nieder.
    »Führt der Gang nicht in dein Zimmer, Frau?«
    »Hier ist mein Zimmer. Es ist eine Spirale wie viele unserer Zimmer. Wir mögen diese Form. Wenn du weitergehst, kommst du in einen Raum, wo du dich waschen und für eine Weile allein sein kannst.«
    »Danke. Hast du eine Kerze, die ich mir borgen kann?«
    Sie schüttelte den Kopf, aber erklärte mir, daß es nicht völlig dunkel sei. Ich verließ sie und folgte der Spirale. Ihr Licht blieb bei mir, wurde zwar zusehends schwächer, aber dafür von der runden Wand reflektiert. Als ich das Ende erreichte, was nicht lange dauerte, ließ ein Luftzug auf ein Luftloch schließen, das vom Dach in diesen Raum führte. Sobald sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich es als einen etwas weniger dunklen Kreis. Ich stand darunter und betrachtete den gestirnten Himmel von Yesod.
    Nachdenklich geworden, verrichtete ich meine Notdurft und wusch mich, als ich zu Apheta zurückkehrte, die in nackter Schönheit auf dem Diwan lag und durch eine dünne Decke schimmerte, küßte ich sie und fragte: »Und andere Welten gibt es nicht, Frau?«
    »Es gibt sehr viele«, flüsterte sie. Sie hatte das dunkle Haar gelöst, das ihr strahlendes Gesicht umwogte, so daß sie selbst wie ein von der Nacht umhülltes Gestirn wirkte.
    »Hier in Yesod. Auf Urth sind unzählige Sonnen sichtbar, die bei Tag verblassen und bei Nacht leuchten. Euer Taghimmel ist leer, während euer Nachthimmel heller als der unsrige ist.«
    »Wenn wir Bedarf haben, werden die Hierogrammaten weitere schaffen –

Weitere Kostenlose Bücher