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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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seinen Befehlen künftig Folge zu leisten. Als ich ihm sagte: ‹Solchen Befehlen niemals›, da zischte die Peitschenschnur quer über mein Gesicht.»
    «O Gott.»
    «Jetzt schau nicht so entsetzt! Ein Gutes hatte das Ganze gehabt: Mein Vater hatte mich wahrhaftig nie wieder für derlei Aufgaben herangezogen.»
    «Was war dann mit dem Küchenjungen geschehen?»
    «Er wurde natürlich vom Hof gejagt. Soweit ich weiß, hatte ihn sein Oheim bei sich aufgenommen, der einen großen Gasthof führt. Ich hatte eigentlich immer mal bei ihm vorbeischauen wollen, um zu sehen, was aus ihm geworden ist. Aber irgendwie kann ich mich nicht dazu durchringen – es ist fast so, als würd ich mich für meinen Vater schämen. Dabei ist das Gasthaus gar nicht so weit – in Schmidmühlen, nur zwei, drei Tagesritte von hier.»
    «Alois», entfuhr es ihr. Sofort hatte sie das kesse, lustige Gesicht des Schankburschen mit seinem unbekümmerten Lächeln vor Augen, und ein Gefühl schwesterlicher Zuneigung stieg in ihr auf. Hoffentlich war er glücklich mit seiner großen Liebe.
    «So hieß er, ja!» Moritz sah sie erstaunt an.
    «Einer mit Sommersprossen und fast so grünen Augen wie du?»
    «Du kennst ihn?»
    «Wie klein ist doch die Welt! Er hatte Niklas und mir einmal aus der Not geholfen.» Und auch ein Stückerl Wurst gestohlen, dachte sie gerührt. «Ist das nicht seltsam? Als ob das Schicksal es so vorgesehen hätte: Du hast ihm Gutes getan, und uns hat er es vergolten.»
    «Ich weiß nicht, ob das eine mit dem andern zu tun hat.» Er strich ihr zärtlich über die Wange. «Aber schön ist es allemal, was du erzählst.»
    Bei anderer Gelegenheit fragte Eva ihn, ob er jemals mit den Hübschlerinnen seines Vaters zusammengetroffen sei. Moritz war bei dieser Frage knallrot geworden und hatte zu stottern begonnen.
    «Gib es ruhig zu. Es macht mir nichts aus.» Ihr letzter Satz war allerdings gelogen.
    «Ein Mal nur. Glaub mir, ein einziges Mal nur. Du musst wissen, dass das bei Knaben von adligem Stand ganz und gar üblich ist.»
    «Was?»
    «Nun ja – dass sie von erfahrenen Frauen in die Künste der Liebe eingeführt werden.»
    «Und wie war das bei dir?»
    Er sah sie an, erst voller Verlegenheit, dann lachte er. «O nein, diesen Gefallen tue ich dir nicht. Ein Geheimnis musst du mir schon lassen.» Er zog sie in seine Arme und küsste sie. «Aber ich hab hoffentlich damals so viel gelernt, dass ich mit dir nichts falsch mache!»
     
    Für Eva waren diese Stunden und Tage das Paradies auf Erden. Nichts und niemand störte sie in ihrem Glück, in ihrer innigen Zweisamkeit, die schon jetzt so vertraut war, als würden sie sich seit Jahren kennen.
    Nur einmal wurden sie aufgeschreckt, gleich am zweiten Abend: Sie hatten eben begonnen, die Fensterläden rundherum zu schließen, da glaubte Eva, draußen auf dem Hof Schritte zu hören. Wladimir, der auf einer Decke bei der Türschwelle zu liegen pflegte, begann zu knurren und zu bellen und war kaum mehr zu beruhigen. Schließlich war Moritz mit ihm in dieDämmerung hinausgetappt, halb nackt und mit einer Fackel in der Hand. Doch er konnte nichts Auffälliges entdecken.
    «Wahrscheinlich Schwarzkittel. Von denen wimmelt es hier.»
    Am vierten Tag waren ihre Essensvorräte so gut wie zur Neige gegangen. Ohnehin musste Moritz sich, wollte er zu Hause kein Misstrauen erregen, aus Ingolstadt zurückmelden. So hatte er beschlossen, gleich nach dem Morgenessen auf das Gut zu reiten.
    «Weißt du, was?», sagte er, als er im Stall das Pferd sattelte. «Du kommst am besten gleich mit. Wir stellen meine Familie vor vollendete Tatsachen. Schließlich will ich meine künftige Frau nicht vor aller Welt verstecken müssen!»
    Eva hatte Mühe, ihm das auszureden.
    «Und was willst du ihnen sagen? Seht her, unser Schneiderlein ist zufällig gar kein Kerl, sondern ein Weib, und das will ich obendrein heiraten?» Sie schüttelte heftig den Kopf. «Nein, so geht das nicht. Du musst erst mal in Ruhe mit deinem Vater und deinen Brüdern sprechen. Wahrscheinlich fängt dein Vater ohnehin an zu toben. Und mich würde er dann gleich vom Hof jagen!»
    Nachdenklich strich Moritz dem Pferd über die Nüstern.
    «Vielleicht hast du recht. Ich sollte erst alles klären. Und wenn ich dich dann hole, dann nur als meine Braut!»
    Sie begleitete ihn noch über den Hof. Die Luft war heute bedeutend kühler als die letzten Tage. Am Holzgatter des Hoftors umarmten sie sich ein letztes Mal, und Moritz stieg auf. Ihr war, als

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