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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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zöge er in eine Schlacht, schutzlos, ohne Waffe und Wehr.
    «Was willst du tun, wenn dein Vater dagegen ist? Wenn er dir die Verbindung mit mir verbietet?»
    «Das kann er nur, solange ich minderjährig bin. In diesem Fall werde ich ihm gar nicht erst verraten, wo unser geheimesNest ist. Wir treffen uns weiterhin hier, und kein Mensch wird davon erfahren.» Voller Zärtlichkeit betrachtete er sie. «Im allerschlimmsten Fall werden wir zusammen fliehen – wohin, wird mir dann schon einfallen.»
    «Wann bist du zurück?»
    «Spätestens morgen Abend. Aber du hast ja den Hund, du musst also keine Angst haben. Nur lass den Riegel trotzdem vorgeschoben, hörst du? Sicher ist sicher.»
    Die erste Stunde ohne ihn war die schlimmste. Eva war, als sei sie nur noch halb, als habe eine Riesenaxt eine Hälfte von ihr abgetrennt. Tatsächlich fühlten sich bald schon ihre linke Hand, ihr linker Arm und ihr linkes Bein taub an. Dann kam, ganz langsam und schleichend, doch so etwas wie Angst auf. Das war ihr neu. Schließlich hatte sie auf ihren Wanderungen etliche Stunden einsam und allein zugebracht, und zwar an sehr viel unwirtlicheren Orten als diesem hier.
    Im schützenden Beisein des Jagdhundes ging sie gegen Mittag ein letztes Mal nach draußen, holte körbeweise Brennholz aus dem Schuppen, dann Trinkwasser von der Quelle, verriegelte die Tür, schob den Tisch davor, schloss im oberen Stockwerk alle Fensterläden, sodass nur noch wenige schmale Lichtstreifen eindrangen, und zuletzt sogar die Dachluke auf der Bühne. Dann kletterte sie wieder nach unten, hockte sich vor das Kaminfeuer und starrte in die Flammen. Moritz hatte versprochen, auf keinen Fall länger als eine Nacht fortzubleiben. Sollte er seinen Vater nirgendwo erwischen, würde er erst mal mit ausreichenden Vorräten zurückkehren; dann würden sie weitersehen.
    Obwohl sie Moritz voll und ganz vertraute, spürte sie eine merkwürdige Unruhe in sich. Sie schalt sich ein Hasenherz, ein elendes Schlotterbein, als sie begann, auf jedes Geräusch zu achten, auf jedes Knistern und Knacken herinnen, auf jedesRascheln von draußen. Dann beruhigte sie sich damit, dass der Hund schon achtgeben würde, mit dem einzigen Ergebnis, dass sie ihn fortan unablässig beobachtete und jedes Zucken seiner Ohren, jeden unregelmäßigen Atemzug für ein Gefahrenzeichen nahm.
    Sie beschloss, aufzuräumen und zu putzen. Irgendwie musste sie schließlich die Zeit rumkriegen, auch wenn sie solcherlei Dinge eher hasste. Also suchte sie sich die notwendigen Utensilien zusammen und machte sich an die Arbeit. Wenigstens war sie hiermit einige Zeit beschäftigt, obwohl das Jagdhaus nur spärlich möbliert und recht überschaubar war mit seinen drei kleinen Schlafkammern im oberen und der Stube, der Küche und der Vorratskammer im unteren Stockwerk. Aber da Moritz selten genug hier herauskam, hatten sich in sämtlichen Winkeln und Ritzen dicke Dreckflusen angesammelt, und von den Geweihen der Jagdtrophäen hatte wohl seit Menschengedenken keiner mehr den Staub abgewischt.
    Als das Licht fahler wurde, entzündete sie die beiden Tranlampen, die auf der Anrichte standen, und brachte Besen und Schaufel zurück in die Küche. Seltsam, seit einiger Zeit schon hatte sie das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihr Blick fiel auf den Hund. Auch er lauschte, schien dabei aber nicht sonderlich beunruhigt. Dennoch wagte sie nicht, den Kehricht nach draußen zu schaffen. Stattdessen verrammelte sie jetzt auch hier im Erdgeschoss sämtliche Fensteröffnungen und beschloss, sich schlafen zu legen. Und zwar, wie schon die Nächte zuvor, vor dem Kamin, wo sie Tür und Hund im Blickfeld hatte.
    Als sie an die Waschschüssel trat, zuckte sie vor Schreck zusammen: Direkt unter dem Fenster vor ihr hatte es in den Zweigen geknackt! Irgendwas stimmte da nicht, denn auch Wladimir hatte leise zu knurren begonnen, sich dann aber wieder entspannt. Warum aber wurde sie das Gefühl nicht los, dassjemand sie beobachtete, selbst durch die geschlossenen Fensterläden und die dicken Holzwände hindurch?
    So wagte sie nicht einmal, sich beim Waschen das Hemd auszuziehen, und schlüpfte angezogen unter die dicke Decke. Endlos lange lag sie wach, lauschte dem Ruf der Käuzchen, dem Schrei einer wilden Katze, schließlich dem Wind, der nächtens stärker und stärker wurde und die Baumwipfel rauschen ließ.
    Irgendwann musste sie schließlich doch eingeschlafen sein, denn sie hatte einen seltsamen Traum. Moritz hatte sie in das neue

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