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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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in die Scheune geführt hatten, fragte Eva:
    «Wenn Ihr Schlossermeister in Straubing seid, dann kennt Ihr doch gewiss unsere Verwandten.»
    «Mag sein. Wie heißen sie?» «Ursula und Endress Wolff.»
    «Wolff? Wartet mal – meint ihr den Nachtwächter Wolff?»
    Eva schüttelte enttäuscht den Kopf. Schade, sie hätte gern mehr über ihre Verwandten erfahren.
    «Straubing ist halt kein Dorf.» Fettmilch warf den Tieren einen Arm voll Heu vor die Nüstern. «Da kennt man nicht Hinz und Kunz.»
    «Aber mein Oheim ist nicht irgendwer», mischte sich jetzt Niklas ein. In seiner Stimme schwang Stolz mit. «Er ist ein reicher Kaufmann.»
    «So? Na dann – warte mal – Wolff, Wolff? Ach ja, da gibt es einen, ja natürlich! Aber weißt du, mein Junge, der ist viel unterwegs als Kaufmann, daher bin ich ihm kaum begegnet. Jetzt aber genug der Plauderei. Ich bin rechtschaffen müde. Schlaft wohl, ihr beiden.»
    Damit verschwand auch Vinzenz Fettmilch in Richtung Haus, aus dessen Fenstern im Erdgeschoss ein heimeliger Lichtschimmer drang.
    «Scheuer oder Wagen?», fragte Niklas.
    «Wie?»
    «Wo wir schlafen sollen.»
    Angesichts der kichernden Mädchen, die sich in der Nähe der Maultiere ein Lager richteten, fiel Eva die Entscheidung leicht.
    «Im Wagen.»
    Immer noch in Gedanken über das, was Fettmilch gesagt hatte, nahm sie ihren Bruder bei der Hand und kletterte in den stockdunklen Wagen zurück. Sie war ein Stadtkind und wusste darum genau, wer unter den Bürgern das Sagen hatte: eben die Handwerksmeister und die Kaufleute, sofern sie einigermaßen angesehen und erfolgreich waren. Und die kannten einander gut. Konnte es sein, dass ihre Muhme gar nicht mehr in Straubing lebte? Oder dass ihr Mann nur ein armer, unbedeutender Höker war? Eine dritte Möglichkeit drängte sich ihr mehr und mehr auf: dass nämlich Eusebia und Vinzenz Fettmilch gar nicht aus Straubing stammten.
    Am nächsten Morgen erwachte sie, als Theres sie an den Beinen zog.
    «Los, Essen fassen, ihr Schlafmützen. Es geht gleich weiter.»
    Eva hatte wider Erwarten wie ein Stein geschlafen. Noch ganz benommen, richtete sie sich auf und kroch zum Kutschbock, wo eine Schüssel Milchbrei auf sie wartete. Nach dem Morgenmahl verschwanden noch einmal alle hinter der Scheune und den umliegenden Büschen, dann brachen sie auf.
    Eva griff nach Niklas’ Hand. Heute würden sie am Ziel ihrer Reise sein. Was danach kam, stand in den Sternen. Das anfänglich fröhliche Geplapper der Mädchen verstummte, nachdem sie Stunde um Stunde unterwegs waren, ohne zu wissen, wo sie sich befanden. Durch den schmalen Lichtstreifen, der vom Kutschbock her nach innen drang, konnten sie lediglich erkennen, dass es gegen Mittag zuging. Hin undwieder hielt der Wagen kurz an, manchmal streckte ein Zöllner den Kopf unter die Plane, zweimal reichte Eusebia ihnen Brot nach hinten.
    «Ich muss bieseln», jammerte Niklas irgendwann. Auf Evas Bitten hin zügelte Vinzenz Fettmilch kurz darauf die Maultiere.
    «Gut, gut, machen wir Rast, die Tiere müssen eh saufen. Aber dass jeder von euch sein Geschäft verrichtet – ich kann nicht alle Paternoster lang anhalten.»
    Eva streckte die Glieder, als sie neben dem Wagen stand, und atmete tief durch. Nach den vielen Stunden unter der stickigen Plane tat die frische Luft gut. Weiße Schäfchenwolken zogen über einen blitzblanken Himmel, die Nachmittagssonne wärmte jetzt, Ende April, bereits. Ihr Wagen stand auf einer Wiese dicht bei der Straße, ein Bach floss gemächlich durch das frische Grün, dahinter erhoben sich die Berge des Baiernwalds. Sie befanden sich jetzt fast in der Talsohle, der Weg führte schnurstracks in Richtung Donaustrom, wo im fernen Dunst die Türme einer Stadt zu erkennen waren.
    «Ist das Straubing?», fragte sie Eusebia, die ihrem Bruder half, die Tiere zu füttern und zu tränken. Die Geschwister tauschten einen raschen Blick aus.
    «Ja, ja, gewiss. Es geht nicht mehr lang.»
    Endlich, dachte sie erleichtert und trat hinter einen dichten Busch, um Wasser zu lassen. Niklas stand mit den anderen Mädchen am Bach, um sich zu erfrischen. Da bemerkte sie, wie die beiden Fettmilchs miteinander tuschelten und kicherten. Die Neugier packte sie und zugleich die Gewissheit, dass die beiden über sie sprachen. Sie schlich sich hinter der Wegböschung bis auf Höhe der Maultiere und spitzte die Ohren.
    «Die süße Blonde – wird dem Birkelnuss gefallen.» – «Wahrlich ein guter Fang   …» – «Und der Pfaffe aus

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