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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ohne jede Narbe von Pocken oder bösem Grind, das ausgeprägte Kinn und die blitzenden dunklen Augen ließen ihn wirken wie einen, der sich in der Welt auskennt und jeder Gefahr gewachsen ist.
    «Das hier ist meine Schwester Eusebia.» Er wies auf die Frau an seiner Seite, die gutmütig lächelte. Sie war von ganz anderer Art: Rundlich und rosig, strahlte sie etwas Mütterliches aus. Auch ihre Kleidung war die einer Bürgersfrau, ohne Fleck und Makel. Eva fragte sich nur, wie es solche Leute in diese Kaschemme verschlagen konnte.
    «Nennt mich einfach Gevatterin», ergriff die Frau jetzt das Wort. «Was treibt ihr so allein unterwegs?»
    «Wir sind auf dem Weg nach Straubing», antwortete Theres und stellte sich und ihre Weggenossen vor. «Wir hoffen, bei Straubinger Bürgersleuten eine Anstellung zu finden.»
    «Ich nicht. Mein Bruder und ich wollen zu unserer Muhme.» Eva ärgerte sich, dass Theres sich so in den Vordergrund drängte. Überhaupt: Die plusterte sich plötzlich auf wie ein Pfau! Saß da mit hervorgestrecktem Busen, die runden Augen strahlten, vornehmlich in Richtung des Mannes, und ihre Stimme hatte den Klang eines Singvögelchens angenommen. Ganz offensichtlich buhlte sie darum, zu gefallen. Was nicht ohne Wirkung blieb, denn Vinzenz Fettmilchs Blick schien sich förmlich an ihr festzusaugen. Seine Schwester Eusebia hingegen musterte Eva.
    «Habt ihr denn keine Eltern, die für euch sorgen?»
    Eva senkte den Blick und entgegnete mit bebender Stimme: «Die sind umgekommen, durch Mordbrenner.»
    «Ihr Ärmsten. Die Welt ist doch ein Jammertal.»
    Eusebia erhob sich halb und strich Niklas über das inzwischen seidig lange Haar.
    «Dann habt ihr also niemanden mehr als eure Verwandten in Straubing?»
    «So ähnlich», murmelte Eva. Ihr entging nicht der kurze Blickwechsel zwischen ihr und ihrem Bruder, und für einen kurzen Moment fragte sie sich voller Misstrauen, warum die beiden Wildfremden so neugierig waren.
    Als hätte Eusebia ihre Gedanken gelesen, lachte diese leise. «Mein Gott, da schwatz ich und schwatz, dabei habt ihr doch sicher einen Bärenhunger. Was haltet ihr davon, wenn mein Bruder euch eine Brotzeit spendiert? Vielleicht eine große Platte mit Speck und Süßkraut?»
    «Au ja, bitte!», rief Niklas. Es war das erste Mal, dass er den Mund aufmachte.
    «Das ist sehr großherzig von Euch.» Nun warf Theres auch der Frau ihr strahlendes Lächeln zu. Die tätschelte ihr sogleich die Hand.
    «Ja, esst euch nur satt, meine Kinder. Ihr habt schließlich noch ein gutes Stück Wegs vor euch.»
    Das Kraut schmeckte fad, und der Speck war zäh wie Schuhleder, doch es lag nicht daran, dass Eva trotz ihres Hungers nur lustlos aß. Irgendwas war seltsam mit den beiden, sie vermochte nur nicht zu sagen, was.
    Als der Wirt eine zweite Platte auftrug, fragte Vinzenz Fettmilch: «Ihr müsst also nach Straubing? Wenn ihr wollt, könnt ihr mit uns fahren, wir sind nämlich auf dem Heimweg dorthin.»
    «Mein Bruder führt dort eine Schlosserei, und ich mach ihm den Haushalt», warf Eusebia ein.
    «Danke, nicht nötig», wehrte Eva ab. «Wir kommen schon allein zurecht, nicht wahr, Theres?»
    Aber Theres beachtete sie gar nicht. «Ihr sagtet: fahren? Habt Ihr denn einen Wagen?»
    «Aber ja.» Der Mann grinste breit. «Einen Leiterwagen mitzwei Maultieren davor. Sogar mit einer Plane gegen den Regen. Wenn ihr also nicht warten wollt, bis dieser verdammte Regen aufhört, kommt mit. Wir haben Platz für euch alle.»
    «Bitte, Eva, sag ja.» Niklas sah sie flehentlich an. «Ich hab keine Lust mehr zu laufen. – Sind wir dann heut Abend schon in Straubing?»
    «So schnell mahlen die Mühlen auch wieder nicht. Eine Übernachtung müssen wir schon einrechnen. Aber schneller als zu Fuß seid ihr allemal, und ihr habt es kommod.»
    «Außerdem» – Eusebias Augen leuchteten – «kennen wir sämtliche Bürgersfamilien dort. Sucht nicht der alte Messerschmied eine Kindsmagd?»
    Fettmilch nickte. «Und mein Freund Birkelnuss braucht gleich zwei tüchtige Madln für den Haushalt. Ein rechtes Wort von mir, und er nimmt euch mit Freuden.» Er lachte glucksend, mit erwartungsvollem Blick auf Theres. «Also, was ist?»
    «Euch schickt wirklich der Himmel! Christina, Susanna, habt ihr das gehört? Was sind wir nur für Glückspilze.»
    Widerstrebend willigte auch Eva ein. Wenn sie nicht in diesem Saustall nächtigen wollten, war dies die einzige Möglichkeit, fortzukommen. Noch immer nämlich prasselten die Regentropfen

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