Die Vampir-Dschunke
sie auf den ersten Blick, dass er sich verändert hatte. Er war dunkler geworden. Es konnte auch sein, dass sich draußen bereits die Dämmerung eingefunden hatte und allmählich in den Nebel hineinkroch. Das käme den alten Vampiren sehr entgegen.
Ein Pfiff erklang. Justine wusste nicht, wer ihn ausgestoßen hatte, sie nahm ihn allerdings als Signal für die Abfahrt hin.
Etwas klirrte in ihrer unmittelbaren Nähe und lenkte sie ab. Von ihr ungesehen hatte sich jemand an sie herangeschlichen. Es war natürlich eines dieser widerlichen Geschöpfe. Wäre Justine ein normaler Mensch gewesen, man hätte sie bestimmt angefallen. Sie aber war eine Blutsaugerin und im Prinzip ähnlich mit diesem Kahlkopf, der vor ihr stand und nicht wollte, dass die Cavallo an Bord blieb.
Zwei Hände hoben das Schwert an, um damit eine Sekunde später schräg zuzuschlagen.
Diesmal entging Justine dem Treffer durch rasches Wegducken. Nur blieb es dabei nicht. Es war immer besser, wenn jemand seine Feinde reduzierte, und das tat sie.
Justine trat so fest zu, dass sie das Knirschen der Knochen im Brustkorb hörte. Die nächste Aktion brachte sie in den Besitz der Waffe. Genau darauf hatte es Justine abgesehen.
Das Geschöpf wollte nach hinten ausweichen, aber die blonde Bestie war schneller. Sie lachte sogar, als die Klinge den Kopf vom Körper trennte.
Er fiel zu Boden und rollte dort noch etwas weiter.
Vor Justine stand ein wackliger Torso.
Sie musste nur eine Hand zu Hilfe nehmen, um ihn anzuheben. Schwungvoll schleuderte sie das kopflose Wesen über Bord.
Danach nahm sich Justine den Kopf vor. Der Mund zeigte noch immer ein Grinsen, auch die beiden Spitzen der Zähne schauten hervor, doch es war nichts mehr zu machen.
Der Kopf landete ebenfalls in den Fluten, und Justine war auf ihre Art und Weise zufrieden. Sie wollte und würde ein blinder Passagier bleiben, das war wichtig.
Es kam niemand mehr zu ihr. Die Besatzung hatte etwas anderes zu tun. Das Schiff bewegte sich plötzlich. Justine bekam Töne zu hören, die sie bisher nicht gekannt hatte. Ein Ächzen und Stöhnen. Sie sah, wie sich das Segel aufzubäumen schien und sich dabei zur Seite neigte. Obwohl kein Wind aufgekommen war, der in das Segel hineinfuhr, blähte es sich auf. Die Dschunke geriet in Bewegung und legte aus der Nähe des Ufers ab...
***
Suko war ein Mensch, der sich nicht drängen ließ. Das wussten Sir James und ich. Deshalb gaben wir ihm die Zeit, die er brauchte. Er nutzte sie, um etwas zu trinken. Aus dem Kühlschrank holte er sich eine Flasche Wasser, und während er die Flüssigkeit langsam in ein Glas füllte, gab Suko seinen ersten Kommentar ab. »Ich denke, dass in diesem Fall die Vergangenheit eine Rolle spielt, aber auch die Gegenwart und die Zukunft.«
»Heh!«, machte ich. »Also ist dein Besuch bei deinen Vettern positiv verlaufen?«
Suko nickte, bevor er trank.
»Und?«
Er stellte sein Glas weg. »Es hat mich nicht gewundert, dass man in bestimmten Kreisen schon Bescheid weiß.«
»Über die Dschunke?«
»Sicher.«
»Und weshalb ist sie unterwegs?«, fragte ich leise.
Suko hob die Schultern. »Man kann wohl von einer Art Rachetour sprechen.«
»Und an wem will man sich rächen?«
Suko schaute Sir James an. »An einem Mann, der Chinese ist und Hainan heißt.«
Sir James und ich schauten uns an. Beide konnten wir mit dieser Auskunft nichts anfangen.
Das sah Suko und lächelte. »Hainan ist im Moment wohl der größte Bonze von Chinatown, der seine Finger in vielen Geschäften stecken hat. Ich sage nicht, dass es unbedingt illegale sind, aber ein legales Geschäft hat seltsamerweise etwas geweckt, das über Jahrhunderte hinweg begraben war.«
»Sollte uns das nicht bekannt Vorkommen?«, fragte ich.
»Klar, aber es gibt immer wieder Variationen.«
»Dann warten wir auf Ihre, Suko«, warf Sir James ein.
»Natürlich, Sir. Es geht tatsächlich um Vampire, die sehr alt sind, aber überlebt haben, und da fällt mir der Vergleich mit Atlantis ein, denn auch in diesem Fall haben wir es mit einer Naturkatastrophe zu tun, die Vieles verändert hat...«
Wir hörten ab jetzt zu, und so erfuhren wir, wie die ferne Vergangenheit und die Gegenwart zusammenhingen. Dass in der Gegenwart durch den Bau eines Staudamms die Besatzung einer alten Dschunke befreit worden war, die vor der Katastrophe als Blutsauger die Gegend unsicher gemacht haben. Sie hätten ihr Grab für alle Ewigkeiten behalten können, wäre es nicht zu den Sprengungen
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