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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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vorübergehen.
    In der Downing Street angekommen, wurde er wortlos ins Kabinett geleitet. Im Nu war er stocknüchtern. Der Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Anstelle einer Privataudienz bei Lord Ruthven fand eine allem Anschein nach wichtige Versammlung statt. General Iorga und Sir Charles Warren waren anwesend. Ebenso der Minister des Innern Henry Matthews sowie einige andere, gleichermaßen handverlesene Vampire. Sir Danvers Carew kaute mit dem ihm eigenen finsteren Blick an einer kalten Zigarre.
    »Godalming«, sagte Ruthven, »setzen Sie sich. Lady Ducayne wird auf Ihre Gesellschaft wohl verzichten müssen. Wir erörtern soeben die Abscheulichkeiten des heutigen Abends.«
    Verwirrt suchte sich Godalming einen Platz. Er hatte den zweiten Akt versäumt und musste die losen Fäden nun wieder anknüpfen.
    »Die Karpatische Garde wurde schmählich beleidigt«, sagte Iorga, »und verlangt nach Rache.«
    »Na, na, na«, murmelte Matthews. Da man ihn gemeinhin nicht
zu den fähigsten Männern der Regierung rechnete, wurde er bisweilen ungnädigerweise mit einem »französischen Tanzmeister« verglichen. »Bei der gegenwärtigen, überaus heiklen Lage wäre es äußerst unklug, derart die Zügel schießen zu lassen.«
    Mit gepanzerter Faust spaltete Iorga das Tischblatt. »Unser Geblüt schreit nach Blut!«
    Angewidert blickte Ruthven auf den Schaden, den der Karpater angerichtet hatte. Das feine Furnier war ruiniert.
    »Wir werden keinen Übeltäter ungestraft davonkommen lassen«, versprach der Premierminister dem General.
    »Das will ich meinen«, warf Sir Charles ein. »Wir rechnen zuversichtlich mit Festnahmen binnen der nächsten vierundzwanzig Stunden.«
    »Wie Sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Falle Jack the Ripper während der vergangenen Monate mit Festnahmen gerechnet haben«, schnaubte Matthews.
    Der Minister des Innern haderte nicht zum ersten Mal mit dem Commissioner; niemand hatte den bitteren Rechtsstreit hinsichtlich der endgültigen Verantwortung für das neu gegründete Criminal Investigation Department der Metropolitan Police vergessen. Zunächst hatten beide die dynamischen Kriminalbeamten für sich beansprucht, in jüngster Zeit jedoch hatte das Interesse der zwei Herren spürbar nachgelassen; insbesondere, da die Whitechapel-Morde weiterhin der Aufklärung harrten.
    Sir Charles geriet über Matthews’ Sticheleien in Rage. »Wie Sie wohl wissen, Herr Minister, ist das Versagen der Polizei in dieser Angelegenheit vor allem Ihrer Weigerung zu verdanken, uns adäquate Geldmittel zu bewilligen, und nicht etwa …«
    »Meine Herren«, sagte Ruthven ruhig. »Das steht hier nicht zur Debatte.«
    Der Minister des Innern und der Commissioner sackten in sich zusammen und funkelten einander bösartig an.

    »Warren«, wandte sich Ruthven an Sir Charles, »Sie befinden sich am ehesten in der Lage, den Standpunkt der Polizei in dieser Sache darzulegen. Ich bitte darum.«
    Godalming hörte aufmerksam zu. Vielleicht bekam er so heraus, worum es eigentlich ging.
    Wie ein gemeiner Gendarm bei Gericht schlug Sir Charles sein Notizbuch auf und räusperte sich. »Gegen Mitternacht ereignete sich im St.-James-Park ein Vorfall …«
    »Kaum einige Hundert Yards vom Palast entfernt!«, fuhr Matthews dazwischen.
    »… so ist es, in unmittelbarer Nähe des Buckingham-Palastes, wenngleich die königliche Familie sich zu keiner Zeit in Gefahr befand. Ein Offizier der Karpatischen Garde eskortierte eine Gruppe von Rebellen, die wir zuvor, während des Aufruhrs, in Gewahrsam genommen hatten.«
    »Gefährliche Verbrecher!«, platzte Iorga heraus.
    »Das ist reine Vermutung. Die Berichte darüber gehen auseinander. Inspektor Mackenzie, ein Augenzeuge, bezeichnet die Gefangenen als ›eine Gruppe verängstigter junger Frauen‹.«
    Iorga stöhnte.
    »Eine Schar von Männern umzingelte den Offizier Ezzelin von Klatka und vernichtete ihn. Auf ganz besonders widerwärtige Weise.«
    »Wie, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Godalming fasziniert.
    »Sie stießen ihm eine Dynamitstange ins Herz und brachten diese zur Explosion«, sagte Ruthven. »Immerhin eine Neuerung.«
    »Eine unschöne Bescherung«, ergänzte Sir Charles.
    »Oder, um eine neumodische Wendung zu gebrauchen: Hin und weg, dieser Karpater«, bemerkte Ruthven.
    Iorga sah aus, als wolle ihm jeden Augenblick der Schädel platzen.
Rings um seine Augen erschien eine zundelrote Schwellung. »Hauptmann von Klatka ist eines tapferen Todes

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