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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Godalming, wie nahe er der Macht gekommen war. Vielleicht würde er nun endgültig erfahren, zu welchem Zweck Lord Ruthven ihn herangezüchtet hatte.
    Ein grimmig dreinblickender Vampir reichte dem Premierminister wortlos eine verschnürte Mappe. Godalming glaubte in ihm einen Angehörigen des Geheimdienstes zu erkennen.
    »Vielen Dank, Mr. Croft«, sagte Ruthven und zerriss das Band. Mit Daumen und Zeigefinger zog er ein Papier hervor und schob es Sir Charles leichthin über den Tisch. »Dies ist eine Liste prominenter Persönlichkeiten, die im Verdacht stehen, wider die Krone zu konspirieren. Sie müssen noch vor Sonnenaufgang in Haft genommen werden.«
    Stumm bewegten sich Warrens Lippen, während er die Liste überflog. Dann legte er sie vor sich hin, so dass Godalming Gelegenheit erhielt, einen flüchtigen Blick darauf zu werfen.

    Die meisten Namen waren ihm bekannt: George Bernard Shaw, W. T. Stead, Cunninghame Graham, Annie Besant, Lord Tennyson. Andere wieder bedeuteten ihm wenig: Marie Spartali Stilman, Adam Adamant, Olive Schreiner, Alfred Waterhouse, Edward Carpenter, C. L. Dodgson. Es gab einige Überraschungen.
    »Gilbert?«, fragte Sir Charles. »Weshalb? Der Mann ist ebenso ein Vampir wie Sie oder ich.«
    »Wie Sie vielleicht. Er parodiert uns unentwegt. Viele müssen schon beim Anblick eines Vampirältesten unwillkürlich kichern. Meines Erachtens nicht eben eine Haltung, die es zu befördern gilt.«
    Es war wohl kaum ein Zufall, dass der Name des bösen Baronets in der Oper Ruddigore, mit dem man eine bestimmte Spezies Vampir zu bezeichnen pflegte, Sir Ruthven Murgatroyd lautete.
    Kopfschüttelnd studierte Matthews die Liste. »Und Gilbert ist beileibe nicht der einzige Vampir«, sagte er. »Sogar Soames Forsyte, mein Bankier, ist hier vertreten.«
    Ruthven wirkte ausnahmsweise einmal nicht töricht und tändelhaft. Godalming erblickte kalte Stahlklauen im Samthandschuh des Murgatroyd.
    »Ein Vampir ist ebenso des Verrates fähig wie ein Warmblüter«, erklärte Ruthven. »Jeder Mann und jede Frau auf dieser Liste hat sich einen Platz in Devil’s Dyke redlich verdient.«
    Sir Charles zeigte sich betroffen. »Devil’s Dyke wurde nicht für Vampire erbaut.«
    »Dann seien wir doch dankbar, dass uns der Tower von London zur Verfügung steht. Er wird in ein Vampirgefängnis umgewandelt werden. General Iorga, steht unter Ihrem Befehl ein Offizier, bei dem Sie sich gezwungen sahen, ihn gelegentlich seines grausamen Vorgehens gegen Untergebene wegen zur Rechenschaft zu ziehen?«

    Iorgas Grinsen entblößte eine Reihe schimmernder, scharf gezackter Raubtierzähne. »Da fallen mir verschiedene ein. Graf Orlok ist für seine Ausschweifungen nachgerade berühmt.«
    »Exzellent. Orlok wird zum Governor des Tower von London ernannt.«
    »Aber der Mann ist eine tollwütige Bestie«, widersprach Matthews. »Er ist bei der Hälfte der Londoner Gesellschaft persona non grata. An ihm ist kaum mehr etwas Menschliches.«
    »Genau der richtige Vampir für diesen Posten«, bemerkte Ruthven. »Darin besteht die Kunst des Regierens. Es findet sich für jeden eine Stellung. Es gilt allein, Position und Charakter in Einklang zu bringen.«
    Mr. Croft fertigte eine Notiz, entweder über die Ernennung des Grafen oder über den Widerspruch des Ministers. Godalming verspürte nicht das geringste Interesse, in Mr. Crofts Notizbuch Erwähnung zu finden.
    »Und nun zu anderen Dingen. Warren, hier haben Sie einen Neuentwurf Ihrer Beförderungspolitik.«
    Sir Charles schnappte nach Luft, als er das Papier gereicht bekam.
    »Ab sofort werden ausschließlich Vampire in ein höheres Amt versetzt«, sagte Ruthven. »Diese Vorschrift besitzt in allen Bereichen des Staats- und Militärdienstes seine Gültigkeit. Ob die Warmblüter sich verwandeln oder bleiben, wo sie sind, tut nichts zur Sache. Wohlgemerkt, Warren, allein die rechten Vampire sind zu befördern. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Ihr Haus einer gründlichen Säuberung unterziehen.«
    Ruthven wandte sich an den Minister des Innern und reichte auch ihm ein Dokument. »Matthews, dies ist ein Entwurf der Notstandsgesetze, die das Unterhaus am morgigen Abend verabschieden wird. Ich halte es für unverantwortlich, dem chaotischen Treiben während des Tages weiterhin mit einer solchen
Laxheit zu begegnen, wie wir es bis dato praktiziert haben. Versammlungs-, Reise- und Handelsfreiheit werden eingeschränkt. Die Wirtshäuser werden nur mehr während der Nachtstunden geöffnet sein.

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