Die Vampire
Es ist an der Zeit, die Uhr und den Kalender unseren Bedürfnissen entsprechend einzurichten, statt uns den Wünschen der Warmblüter zu beugen.«
Matthews schickte sich schweigend in sein Los. Sir Danvers Carew brummte, beinahe zufrieden. Es war an ihm, in Matthews’ Fußstapfen zu treten, wenn Ruthven diesen zum Rücktritt nötigte.
»Wir sind gezwungen, rasch zu handeln«, verkündete Ruthven den Anwesenden. »Doch das hat durchaus sein Gutes. Wir müssen unseren entschiedenen Kurs beibehalten, einerlei, auf welchen Widerstand wir treffen werden. Aufregende Nächte liegen vor uns, und wir besitzen die einmalige Gelegenheit, uns die Welt zu unterwerfen. Wir sind der Wind aus dem Osten. Wir sind ein wütender Orkan. Nach uns wird dieses Land nicht mehr wiederzuerkennen sein. Wer da noch einhält oder zögert, den wird der Strom schnell mit sich reißen. Wie der Prinzgemahl gedenke ich, standhaft zu bleiben. Viele werden ausgelöscht sein, wenn über unserem neuen Reich der Mond aufgeht. Mr. Darwin hatte völlig Recht: Nur die Tüchtigen werden überleben. Wir müssen sicherstellen, dass wir uns unter den Tüchtigsten der Tüchtigen befinden.«
38
Neugeboren
A rt hatte Penelope im Salon zurückgelassen. Sie befand sich gleichsam in einer Ohnmacht, als er ihr erklärte, weshalb er so eilig fortmüsse. Es hatte mit dem Premierminister zu tun. Angelegenheiten von allergrößter Bedeutung und Dringlichkeit. Männersachen, so vermutete sie, die sie nicht zu scheren brauchten. Es schien, als spräche Art vom Ende eines langen Tunnels zu ihr, während ein starker Wind ihn anblies und seine Stimme davontrug. Dann war er verschwunden, und sie war mit sich allein …
… sie verwandelte sich. Es war ganz anders, als sie erwartet hatte. Man hatte ihr erzählt, es ginge schnell: ein rascher Schmerz, als würde ihr ein Zahn gezogen, gefolgt von einer Dämmerperiode, die der Verpuppungsphase eines Insekts vergleichbar sei, und schließlich ein neues Erwachen als Vampir.
Der glühende Schmerz, der überall in ihrem Körper wütete, war furchtbar. Mit einem Mal brach heiß der Monatsfluss aus ihr hervor. Ihre Unterkleider waren blutgetränkt. Kate hatte sie eindringlich davor gewarnt, doch sie hatte es vergessen. Im Augenblick bot ihr die Aussicht, dass dies das letzte Mal sei, da derlei weibliche Unannehmlichkeiten sie heimsuchten, wenig Trost. Sie wusste, dass Vampirfrauen nicht menstruierten. Dieser Fluch war nun auf alle Zeit gebannt. Als Frau war sie tot …
… auf dem Diwan, wo Art sie genommen, wo sie ihn zur Ader gelassen hatte. Sie presste sich ein Polsterkissen auf den Bauch. Noch den letzten Brocken Nahrung hatte sie aus ihrem Magen auf Arts Perserteppich befördert. Dann, als es ihr ein wenig besser ging, hatte sie Darm und Blase entleert. Nun wusste sie, warum
Godalming es trotz aller Eile unternommen hatte, ihr zu zeigen, wo sein verschwiegenes Örtchen sich befand. Während der Verwandlung gab ihr Körper alles Überflüssige von sich.
Sie fühlte sich fiebrig und leer, als hätte man ihr Innerstes nach außen gestülpt. Ihr Kiefer schmerzte, als die Zahnknospen sich öffneten und raue, kraspelnde Emaille zum Vorschein kam. Sie hatte die großen, spitzen Zähne des typischen Vampirs. Sie wusste, dass dieser Zustand nicht von Dauer war. Ihre Zähne würden sich verändern, wenn sie in Zorn oder Leidenschaft entbrannte. Oder, wie jetzt, peinigende Qualen litt. Um sich ihrer neuen Art der Nahrungsaufnahme anzupassen, wurden ihre Augenzähne zu Hauern.
Wie war sie nur auf diese aberwitzige Idee verfallen? Sie konnte sich kaum mehr erinnern.
Sie betrachtete ihre Hand. Sie sah die Sehnen und Adern unter ihrer Haut sich wie Würmer krümmen und winden. Ihre manikürten Nägel glichen rautenförmigen Dolchen. Hie und da wuchsen ihr borstige schwarze Haare. Ihre Finger waren geschwollen, und der Verlobungsring schnitt ihr ins Fleisch.
Sie versuchte sich zu konzentrieren.
Ihre Hand kam zur Ruhe und gewann ihre vertraute Gestalt zurück. Sie ließ die Zunge prüfend über ihre Zähne gleiten. Sie waren wieder klein, und das Gefühl, ihr Mund sei ein einziger Wald spitzer Pfähle, war verschwunden.
Sie lag auf dem Rücken, und ihr Kopf baumelte über die Diwankante. Sie sah das Oberste zuunterst. Das lebensgroße Porträt von Arts Vater stand auf dem Kopf. Eine blaue Vase, aus der spitze Wedel weißen Präriegrases zu stürzen drohten, hing von der mit teurem Teppich ausstaffierten Zimmerdecke. Ein mit
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