Die Vampire
Mackenzie an die Brust. Kostaki ließ ihn hinter sich und hatte die Entfernung in Sekundenschnelle zurückgelegt.
Als er sich durch die Büsche geschlagen hatte, sah er, was geschehen war. Die Mädchen waren losgebunden, und von Klatka lag am Boden. Fünf oder sechs Männer mit schwarzen Mänteln und Halstüchern vor dem Gesicht hielten ihn fest, während ein Kerl mit weißer Kapuze von Klatka einen schimmernden Dolch in die Brust bohrte. Von Klatka schrie seine Verachtung heraus. Im Boden steckte eine Stange, an der das Banner der Kreuzfahrer Christi baumelte. Einer der maskierten Männer richtete eine Pistole auf Kostaki. Dieser sah das Mündungsfeuer und schickte sich an, ein weiteres Geschoss mit theatralischer Gebärde abzuwehren, als er einen gellenden Schmerz im Knie verspürte. Eine Silberkugel hatte ihn getroffen.
»Zurück, Vampir«, sagte der Schütze mit gedämpfter Stimme.
Mackenzie hatte sie erreicht. Kostaki wollte sich ins Getümmel stürzen, doch der Polizist hielt ihn zurück. Kostakis Bein war taub. Das giftige Geschoss stak fest in seinen Knochen.
Eine der befreiten Frauen trat gegen von Klatkas Kopf, ohne jedoch größeren Schaden anzurichten. Der Mann, der rittlings auf dem Vampir saß, hatte dessen Kürass losgerissen. Mit wenigen Schnitten seines Silbermessers legte er nun von Klatkas pochendes Herz frei. Einer seiner Kameraden reichte ihm etwas Ähnliches wie eine Kerze, die er von Klatka in die Brust rammte.
»Für Jago!«, rief der vermummte Kreuzfahrer aus.
Ein Zündholz flammte auf, und die Kreuzfahrer ließen von ihrem Opfer ab und sprangen auseinander. Von Klatka lag in einem Meer von Blut. Er presste seine Brust zusammen, und die Wunden schlossen sich. Die Kerze ragte zwischen seinen Rippen hervor, an ihrem Ende eine zischende Flamme.
»Dynamit!«, schrie Mackenzie.
Ezzelin von Klatka griff nach der brennenden Lunte. Aber zu spät. Seine Faust schloss sich um die Flamme, als diese sich auszudehnen begann. Ein greller Lichtblitz machte die Nacht zum Tag. Dann hoben ein starker Windstoß und ein lautes Krachen Kostaki und Mackenzie von den Füßen. Die Explosion schleuderte Klumpen von Vampirfleisch und Fetzen der Rüstung Ezzelin von Klatkas in die Luft.
Kostaki rappelte sich hoch. Als Erstes vergewisserte er sich, dass Mackenzie, der sich die sausenden Ohren hielt, keine ernsthaften Verletzungen erlitten hatte. Dann wandte er sich seinem gefallenen Kameraden zu. Von Klatkas Rumpf hatte es in tausend Stücke gerissen. Sein Kopf brannte, das Fleisch verfaulte schnell. Seine Überreste verströmten einen bestialischen Gestank, und Kostaki musste würgen.
Die Fahne der Kreuzfahrer Christi lag umgestürzt am Boden, mit brennenden Tupfen übersät.
»Die Vergeltung für den Anschlag auf Jago«, sagte Kostaki.
Mackenzie, der soeben den Kopf schüttelte, um seine Ohren von dem quälenden Klingeln zu befreien, merkte auf. »Höchstwahrscheinlich. Das Dynamit ist eine alte Lumperei der Fenier, und in Jagos Bande gibt es jede Menge Irländer. Dennoch …« Er brachte seinen Gedanken nicht zu Ende. Männer kamen im Laufschritt auf sie zu. Karpater mit eilig angelegten Harnischen und gezogenen Schwertern, von der Explosion ins Freie gelockt.
»Was dennoch, Schotte?«
Mackenzie schüttelte den Kopf. »Der Sprecher, der Bursche mit dem Dynamit …«
»Was ist mit ihm?«
»Ich hätte schwören können, dass er ein Vampir war.«
36
Das Alte Jago
E s gibt Menschen auf dieser Welt, vor denen sich sogar Vampire fürchten«, sagte er, während sie die Brick Lane hinaufgingen.
»Ich weiß«, räumte sie ein.
Der Älteste verbarg sich im Nebel und wartete, bis seine Zunge nachgewachsen war. Dann würde er ihr ein drittes Mal zu Leibe rücken.
»Ich bin mit allen Teufeln in allen Kreisen der Hölle wohlvertraut, Geneviève«, sagte Charles. »Es geht lediglich darum, den rechten Dämon anzurufen.«
Sie hatte keinen Schimmer, wovon er sprach.
Er führte sie durch eines der schmalen, übelriechenden Gässchen im schlimmsten Elendsquartier von ganz London. Dann und wann löste sich ein Ziegelstein aus den windschiefen Mauern und fiel aufs Pflaster. An jeder Ecke standen übelgesinnte Neugeborene und steckten die Köpfe zusammen.
»Charles«, sagte sie. »Wir sind im Alten Jago.«
Er pflichtete ihr schmunzelnd bei.
Sie fragte sich, ob er verrückt geworden sein mochte. In ihrem Aufzug - wollte sagen, nicht in Lumpen gekleidet - hätten sie ebenso gut als wandelnde Plakate
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