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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Lächeln war durchaus überzeugend, vermochte seine spitzen Zähne jedoch nicht zu verbergen.
    »Bin ich Euch so zuwider, Mylady? Über Jahrhunderte seid Ihr von einem Ort zum anderen gezogen, in ewiger Furcht vor Euren warmblütigen Neidern. Wie alle Untoten wandeltet Ihr als Ausgestoßene auf dem Antlitz dieser Erde. Nennt Ihr das Recht? Geplagt von niederen Kreaturen, verweigerte man uns den Beistand der Kirche und den Schutz des Gesetzes. Ihr habt ebenso wie ich ein Mädchen, das Ihr liebtet, an Bauern mit gespitzten Pfählen und silbernen Sicheln verloren. Wahrhaftig, Tepes werde ich geheißen, und doch war es nicht Dracula, der das Herz der Carmilla Karnstein oder das der Lucy Westenra durchbohrte. Mit meinem dunklen Kuss schenke ich ewiges, süßes Leben; die Silbermesser aber sind es, die den leeren, kalten Tod uns bringen, auf alle Zeit und immerdar. Doch die finsteren Nächte liegen hinter uns, und wir sind in die uns gebührende Stellung erhoben. Ich habe dies zum Wohle aller nosferatu getan. Vorbei die Zeit, da wir den Warmblütern unsere Natur verhehlten, vorbei die Zeit, da uns der rote Durst das Hirn versengte. Fangtochter des Chandagnac, auch Ihr zieht daraus Euren Nutzen; und doch empfindet Ihr keine Liebe für Dracula. Ist das nicht überaus betrüblich? Verrät das nicht die Haltung einer überaus einfältigen und undankbaren Frau?«
    Draculas Hand lag um Viktorias Hals, und mit dem Daumen streichelte er ihre Kehle. Die Königin blickte zu Boden.
    »Wart Ihr nicht einsam, Geneviève Dieudonné? Und seid Ihr nun nicht unter Freunden? Unter Euresgleichen?«
    Sie war fünfzig Jahre länger untot als Vlad Tepes. Als sie sich verwandelt hatte, war der Fürst ein Wickelkind gewesen, das bald darauf in ein Leben der Gefangenschaft entlassen werden sollte.
    »Pfähler«, verkündete sie, »ich kenne nicht meinesgleichen.«

    … während der Fürst noch funkelnden Auges auf Geneviève herabsah, trat Beauregard vor.
    »Ich habe Euch ein Geschenk mitgebracht«, sagte er und griff in die Brust seines Fracks, »ein Andenken an unsere Tätigkeit im East End.«
    Draculas Blick verriet die philiströse Besitzgier eines wahrhaften Barbaren. Trotz seiner hochtrabenden Titel war er kaum eine Generation von jenen tyrannischen Bergtölpeln entfernt, die er seine Vorfahren schimpfte. Nichts erfreute sein Fürstenherz so sehr wie hübsche Dinge. Grell schimmerndes Spielzeug. Beauregard zog ein Stoffbündel aus seiner Innentasche und schlug das Tuch zurück.
    Silber flammte auf.
    Eben noch hatten sich Vampire in düsteren Winkeln laut schmatzend am Fleisch von Knaben und Mädchen gütlich getan, nun aber war alles ruhig. Es war gewiss eine Illusion, doch die winzige Klinge strahlte, erhellte wie Excalibur en miniature den ganzen Saal. Wutentbrannt legte Dracula die Stirn in Falten, doch dann verwandelten Hohn und Belustigung sein Gesicht in eine breit grinsende Maske. Beauregard hielt Jack Sewards Silberskalpell in die Höhe.
    »Bildet Ihr Euch etwa ein, mich mit diesem Nädelchen bezwingen zu können, Engländer?«
    »Es ist ein Geschenk«, erwiderte Beauregard. »Doch es ist nicht für Euch bestimmt.«
    Geneviève trat verwundert beiseite. Merrick und Mina Harker standen zu weit entfernt, um ihm gefährlich werden zu können. Die Karpater ließen von ihren Vergnügungen ab und bildeten einen Halbkreis um den Thron. Einige der Haremsfrauen erhoben sich, ihre lechzenden Mäuler troffen vor feucht glänzendem Blut. Zwar befand sich niemand zwischen Beauregard und der Estrade, doch wenn er auch nur einen Schritt zu Dracula hin täte, würde
er auf eine massive Mauer aus Knochen und Vampirfleisch stoßen.
    »Sondern für meine Königin«, sagte Beauregard und warf ihr das Messer zu.
    Die dahinschwirrende Silberklinge spiegelte sich in Draculas Augen, und in seinen Pupillen explodierte finsterer Zorn. Viktoria fischte das Skalpell aus der Luft …
     
    … alles hatte nur dem einen Zweck gedient, Charles Zutritt zum Palast zu verschaffen, um hier und jetzt seine Pflicht erfüllen zu können. Geneviève spürte seinen Geschmack auf ihrer Zunge und verstand …
     
    … die Königin stieß sich die Klinge in die Brust, heftete sich das Hemd an die Rippen und durchstach ihr Herz. Es war rasch vorbei. Aus ihrer tödlichen Wunde schoss Blut. Mit einem Seufzer der Erleichterung stürzte sie von der Estrade und rollte, ihre rasselnde Kette hinter sich herziehend, die Stufen hinab. Sic transit Victoria Regina.
    Der Premierminister

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