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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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den Vorsitz geführt hatte, und Waverly, ein onkelhafter Charakter, der, wenn Beauregard nicht alles täuschte, die persönliche Verantwortung für den Sturz Oberst Ahmed Arabis und die Besetzung Kairos im Jahre 1882 trug. Zwei Stühle an dem runden Tisch waren leer.
    »Leider Gottes treffen Sie uns in geschwächtem Zustand an. Wie Sie wissen, hat es einige Veränderungen gegeben. Der Diogenes-Club ist nicht mehr, was er einmal war.«
    »Zigarette?«, fragte Waverly und zog ein silberverziertes Etui hervor.
    Obschon Beauregard verneinte, warf Waverly ihm das Etui zu. Er war flink genug, es aufzufangen und zurückzureichen. Lächelnd schob Waverly das Etui in seine Brusttasche.
    »Blankes Silber«, erklärte er.
    »Das wäre wirklich nicht nötig gewesen«, sagte Messervy. »Bitte verzeihen Sie. Dennoch, eine äußerst eindrucksvolle Demonstration.«
    »Ich bin kein Vampir«, sagte Beauregard und zeigte ihnen seine unverletzten Finger. »Das dürfte eindeutig auf der Hand liegen.«
    »Es sind heimtückische Wesen, Beauregard«, entgegnete Waverly.

    »Sie wissen hoffentlich, dass eines von ihnen vor der Tür steht.«
    »Dravot ist ein Sonderfall.«
    Früher hatte Beauregard die herrschende Clique des Diogenes-Clubs für unbezwingbar gehalten, für das unermüdlich schlagende Löwenherz Britanniens. Nun, und nicht zum ersten Mal seit seiner Rückkehr aus dem Ausland, konnte er nicht umhin, sich einzugestehen, welch radikalen Veränderungen das Land unterworfen war.
    »Sie haben in Schanghai gute Arbeit geleistet, Beauregard«, lobte der Vorsitzende. »Überaus geschickt. Was wir von Ihnen jedoch selbstverständlich auch nicht anders erwartet hatten.«
    »Vielen Dank, Herr Vorsitzender.«
    »Ich denke, es werden einige Jahre vergehen, bis wir Neues von den Gelben Teufeln der Si-Fan zu hören bekommen.«
    »Ich wollte, ich könnte Ihre Zuversicht teilen.«
    Messervy nickte verständig. Der verbrecherische tong ließ sich ebenso wenig ausrotten und vernichten wie ein gemeines Unkraut.
    Waverly hatte einen kleinen Stapel Papiere vor sich liegen. »Sie sind viel herumgekommen«, sagte er. »Afghanistan, Mexiko, Transvaal.«
    Obgleich er sich fragte, wohin das alles führen mochte, pflichtete Beauregard ihm bei.
    »Sie haben der Krone in zahlreichen Ländern dieser Welt große Dienste erwiesen. Nun aber benötigen wir Sie ein wenig näher der Heimat. Sehr nah, um genau zu sein.«
    Mit einem Mal beugte sich Mycroft, der bei aller Aufmerksamkeit, die er Beauregard zu widmen schien, ebenso gut mit offenen Augen geschlafen haben mochte, nach vorn. Der neue Vorsitzende war es offenbar gewohnt, sich dem Willen seines Kollegen zu fügen, so dass er sich zurücklehnte und ihn das Ruder führen ließ.
»Beauregard«, sagte Mycroft, »haben Sie von den Bluttaten in Whitechapel gehört? Den sogenannten Silver-Knife-Morden?«

6
    Die Büchse der Pandora
    W as sollen wir denn machen?«, rief ein Neugeborener mit Schiebermütze. »Wie sollen wir denn verhindern, dass dieser Satansbraten weiter unsere Frauen abschlachtet?«
    Wütend versuchte Coroner Wynne Baxter, der Unruhe Herr zu werden. Er war ein großspuriger Politiker in mittleren Jahren und, so hatte Geneviève gehört, bei den Leuten nicht eben beliebt. Anders als ein Richter am Hohen Gerichtshof hatte er keinen Hammer und war daher gezwungen, mit der flachen Hand auf sein Holzpult einzuschlagen.
    »Sollte es noch einmal zu einer derartigen Störung kommen«, rief Baxter mit wildem Blick, »sehe ich mich genötigt, den Saal räumen zu lassen.«
    Der mürrische Rohling, der auch zu Lebzeiten schon wie ein Hungerleider ausgesehen haben mochte, trottete zu seiner Bank zurück. Er saß umringt von ähnlichem Gesindel. Diese Sorte war Geneviève nur allzu vertraut: lange Schals, zerrissene Röcke mit von Büchern ausgebeulten Taschen, schwere Stiefel, dünne Bärte. In Whitechapel tummelten sich die Anhänger von allerlei Rotten republikanischer, anarchistischer, sozialistischer oder sonst wie aufrührerischer Konfession.
    »Ich danke Ihnen«, sagte der Coroner mit spöttischer Stimme, während er seine Notizen ordnete. Der Unruhestifter fletschte die Fangzähne und murmelte wütend vor sich hin. Den Neugeborenen
missfiel es außerordentlich, wenn ein Warmblüter das Sagen hatte. Doch lebenslange Katzbuckelei schon beim leisesten Stirnrunzeln eines Beamten hinterließ nun einmal ihre Spuren.
    Heute war der zweite Tag der Untersuchung. Gestern hatte Geneviève an der Rückseite des

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