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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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Überlebenschancen waren gering. Winthrop hatte selbst an trüben Tagen schon Menschen in Flammen aufgehen sehen. Vampire waren zwar unsterblich, aber von gebrechlicher Konstitution. Man musste schon ziemlich viele Jahre auf dem Buckel haben, bevor man an der Sonne spazieren gehen konnte.
    Im Dunkel des Tunneleingangs glommen rote Augenpaare. Ein grausiges Lachen wehte über das Niemandsland. Als Winthrop seinem Kameraden auf die Beine half, spürte er die Hitze im Körper des Vampirs.
    »Herrlicher Tag«, sagte Mellors. Er stand im Dunkeln und verfolgte den Todeskampf seiner Beute. »Perfektes Wetterchen, um ein paar Waldhühner zu schießen.«
    Der Rauch biss Winthrop in der Kehle. Er musste Ball in den Schatten bringen.
    Im Tunneleingang brachte Mellors einen Revolver in Anschlag. Winthrop stieß Ball beiseite und sprang ihm hinterdrein, um aus der Schussbahn zu gelangen. Mellors feuerte, und ein knappes Dutzend Yards entfernt spritzten Staub und Erde auf. Er konnte nicht auf sie zielen, ohne ins todbringende Sonnenlicht hinauszutreten.
    Vor Einbruch der Nacht würden sich die Troglodyten nicht ins Freie wagen. Doch bei Tage würde Ball nicht sehr weit kommen. Er biss zitternd die Zähne zusammen, um nicht zu explodieren. Winthrop malte sich aus, was geschehen würde, wenn es
den Vampir zerfetzte. Er war Ball so nahe, dass er von Kopf bis Fuß mit Knochensplittern gespickt würde. Auf diese Weise würde ihm wenigstens die Gnade eines raschen Todes zuteil.
    Ganz in der Nähe stand ein Mauerrest, Überbleibsel eines nicht zu identifizierenden Gebäudes. Im Schatten der Mauer herrschte tiefe, kühle Dunkelheit. Winthrop konzentrierte sich, nahm seinen ganzen Mut zusammen und zerrte Ball über den Boden. Obwohl Ball nicht stehen konnte, wurde er ihm nicht zur Last.
    Die Mauer würde ihnen Schutz vor den Schüssen aus der Tunnelöffnung bieten, doch um dorthin zu gelangen, mussten sie offenes Gelände überqueren. Mellors feuerte ein zweites Mal, mit der Präzision eines geübten Jägers. Das Geschoss riss einen Fetzen Fleisch aus Balls verkohlter Hüfte. Die Kugel musste aus Blei gewesen sein, da die Wunde den Piloten nicht weiter zu behindern schien.
    Bevor der Anführer der Troglodyten auf ihn zielen konnte, war Winthrop hinter die Mauer gehechtet und prallte mit dem Rücken gegen bröckelnde Ziegel. Dunkelheit umhüllte sie, und Ball brach zusammen. Er streckte die verbliebene Hand nach seiner Wunde aus, doch sein Arm wollte sich nicht beugen wie gewünscht. Winthrop inspizierte den klaffenden, rot gähnenden Spalt. Fleisch und Haut ballten sich über gebrochenen Rippen. Ein winziger Trieb, der aus dem Stumpf von Balls verlorenem Arm hervorspross, endete in einer Knospe, die mit der Zeit zu einer neuen Hand erblühen würde. Er bot seine ganze Heilkraft auf, doch seine Wunden waren zu zahlreich und zu tief.
    Obgleich sie sicher hinter die Mauer gelangt waren, hatte sich ihre Lage um keinen Deut verbessert. Vor Einbruch der Dunkelheit konnten sie nicht weiterziehen. Und dann würden die Troglodyten keine Sekunde zögern, sich auf sie zu stürzen. Doch Ball allein zurückzulassen, erschien Winthrop undenkbar.
    Querschläger knallten gegen die Mauer und zerrten an den lockeren
Ziegeln. Ein paar gezielte Schüsse, und die Mauer würde sie unter sich begraben. Winthrop kramte sein Zigarettenetui hervor. Er steckte sich zwei Glimmstängel in den Mund, zündete sie mit seinem vorletzten Streichholz an und schob Ball eine davon zwischen die zerschlagenen Zähne. Kopfschüttelnd sogen sie den Rauch in ihre Lungen.
    »Das ist doch kompletter Wahnsinn. Verschwinden Sie und holen Sie Hilfe.«
    Winthrop hustete.
    »Andererseits würde die Rettungsmannschaft es wohl kaum rechtzeitig schaffen«, sagte Ball. Sein verbranntes Gesicht hatte zu bröckeln begonnen, und darunter kam sein rußgeschwärzter Schädel zum Vorschein. Ein Auge war zerplatzt und geronnen.
    Von Erschöpfung übermannt, sackte Winthrop zusammen. Er rutschte an der Wand hinab und ließ den Kopf hängen. Er war am Ende seiner Kräfte. Er hatte Blut verloren und war übel zugerichtet. Und abgesehen von der kurzen Zeit, die er wie ein zum Trocknen aufgehängtes Kleidungsstück bewusstlos an einem Haken baumelnd verbracht hatte, war ihm seit fast zwei Tagen kein Schlaf vergönnt gewesen. Außerdem hatte er seit über vierundzwanzig Stunden nichts gegessen.
    »Ich habe mir immer Fangkinder gewünscht. Ich wollte die Gabe weiterreichen.«
    In seinem derzeitigen

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