Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
Vom Netzwerk:
Zustand war Ball schwerlich eine gute Reklame für die Gabe des Vampirismus. Sein linkes Bein war abgestorben, mehrfach gebrochen, und zerfiel langsam zu Hautflocken, Fleischstaub und Knochensplittern.
    »Wenn ich den dunklen Kuss nicht empfangen hätte, wäre es aus mit mir gewesen, als Lothar von Richthofen mich vom Himmel schoss. Ich bin meiner Zeit vorausgeeilt. Und jetzt hat sie mich eingeholt.«
    Winthrop wollte dem Flieger widersprechen.

    »Nein, alter Freund. Ich weiß, dass es mit mir zu Ende geht. Ich werde von Minute zu Minute weniger, und den kläglichen Rest von Albert Ball zu retten, ist die Mühe nicht wert.«
    »Ich kann auch nicht mehr. Ich bin erledigt.«
    Eine Kugel prallte von den Ziegeln ab und pfiff jaulend durch den Bombentrichter.
    Der Pilot legte eine Hand auf seinen Schenkel, der unter seinen Fingern zerbröckelte. Die Haut löste sich auf wie verbranntes Papier, die Muskeln zerfielen zu Asche, und die Knochen zerkrümelten wie ein Stück Kreide. Ein leichter Windstoß verwehte den Staub.
    »Ich bin am Ende, Winthrop.«
    Sein Kiefer hing schief in den Gelenken. Aus seinem Mund trat Blut.
    »Wer hat Sie verwandelt?«
    Die Muskeln über seinen Wangenknochen zuckten wie Mollusken. Sein lippenloses, fleischloses Gesicht verzerrte sich zu einem schwachen Lächeln.
    »Ein Mädchen auf der Pier von Brighton.«
    »Eine Älteste?«
    Winthrop dachte an die tausendjährige Isolde.
    Ball schüttelte den Kopf. Kopfhaut und Fliegerhaube waren zu einer morschen, brüchigen Masse verschmolzen. »Nur eine Neugeborene. Ein ›Künstlermodell‹. Sie nannte sich Mildred.«
    Winthrop konnte sich Mildred lebhaft vorstellen.
    »Es gibt Vampire, die sich selbst nach einer Enthauptung gänzlich regenerieren können.«
    Balls Kehlkopf schnarrte bei dem Versuch zu lachen.
    »Es steht Ihnen frei, es zu probieren, aber ich bezweifle, dass Sie daran große Freude hätten. Ich glaube, ich bin von mäßigem Geblüt.«
    Der sterbende Vampir setzte sich auf, und sein Bauch legte sich
in Falten. Winthrop neigte den Kopf, um besser hören zu können. Ball streckte die Hand aus und krallte die Finger in Winthrops Schulter.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit, wie ich weiterleben kann«, flüsterte Ball.
    Winthrop glaubte zu verstehen und löste seinen Kragen. Er hatte nichts dagegen, Ball von seinem Blut trinken zu lassen.
    »Dafür ist es längst zu spät.«
    Balls Zähne wackelten. Einen oder zwei hatte er bereits verloren. Seine violett verfärbte Zunge war geschwollen. Er ließ Winthrops Schulter los, ritzte sich mit einem dicken, spitzen Fingernagel die Kehle und durchtrennte die Halsschlagader. Seimiges Blut quoll aus der Wunde. Es ähnelte eher einem Gelee denn einer Flüssigkeit.
    »Zehren Sie von meiner Kraft, Winthrop. Von dem lächerlichen Rest, der mir geblieben ist.«
    Sein Magen sträubte sich bei dem Gedanken. Das Vampirblut verströmte einen strengen Geruch. Ein verirrter Sonnenstrahl ließ es in pulsierendem Violett erstrahlen.
    »Es wird Ihnen neue Kraft verleihen. Sie werden einen Teil von mir mit sich nehmen.«
    Eine Wolke schob sich vor die Sonne.
    »Die Nacht rückt näher, Freunde«, brüllte Mellors.
    Das Auge des Fliegers leuchtete. »Machen Sie schnell, Winthrop.«
    Die Entscheidung war getroffen. Winthrop zog Ball oder das, was von ihm übrig war, an sich. Als er spürte, wie die letzten Knochen des Piloten brachen, tauchte er die Zunge in das mäandernde Rinnsal. Was er da schmeckte, war nicht das salzige Aroma, das er kannte. Was er da schmeckte, war kein Menschenblut. Ein liebliches Prickeln, wie von Sorbet, betäubte seine Zunge, und er leckte gierig an der Wunde, schlürfte zähes, süßes Nass.

    Ball schauderte in Winthrops Armen, doch sein klebriges Blut hörte nicht auf zu fließen. Da plötzlich zerfiel Ball zu Staub. Ein übler Geschmack überschwemmte Winthrops Mund, als der wirkliche Tod eintrat. Balls Asche sank zu Boden.
    Hustend versuchte Winthrop, den klumpigen Sirup bei sich zu behalten. Sein Verstand war klar und ungetrübt wie von einer Gabe Riechsalz. Seine Sehschärfe wuchs ins Unermessliche, und er nahm Dutzende winziger Bewegungen wahr. Es war ein Gefühl wie der leichte Rausch nach ein oder zwei Gläsern Champagner.
    Ball sah aus, als sei er bereits seit Jahren tot. Er verdorrte. Sein Kopf schrumpfte zu einem mit dünnem Pergament umhüllten Totenschädel und löste sich vom Rumpf.
    Zum Vampir konnte nur werden, wer Vampirblut trank, während ein Vampir sich an ihm labte. Was

Weitere Kostenlose Bücher