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Die Vampire

Titel: Die Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Newman
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zwischen den Beinen.
    Winthrop ließ das Wesen unbehelligt ziehen. Er war auf wichtigere Beute aus.
    Er durchstreifte den Himmel.

    Draculas Gewicht zog Stalhein in die Tiefe, und die schwarze Gashülle der Attila hing über ihnen wie ein Feuerbaldachin. Der Ingenieur traktierte, von wilder Raserei ergriffen, ein letztes Mal die Tasten und entlockte seiner Orgel irrsinnige Klänge.
    Stalheins Spannweite nahm zu, und Dracula wurde ihm leichter. Sie hielten direkt auf den Wald zu.
    Die Attila war verloren, eine Kette brennender Ballons stürzte zur Erde. Die Gondel krachte hundert Meter hinter ihnen in die Bäume.
    Stalhein beschleunigte, entkam den Flammenfingern nur um Haaresbreite.
    Der Hahnenkampf, unterbrochen durch den Untergang der Attila, ging weiter. Die Überreste beider Parteien hatten jede Hoffnung aufgegeben, dieses Gefecht lebend zu beenden, und lieferten sich eine tödliche Schlacht. Er hielt nach einem Landeplatz Ausschau. Wenn er seine Pflicht erfüllt hatte, wollte er seinen Kameraden in der Luft zu Hilfe eilen.
    Ein Flugzeug näherte sich ihm von oben. Obgleich er unbewaffnet war, hatte er im Zweikampf durchaus eine Chance. Er hätte Dracula absetzen und dem Piloten den Kopf abreißen können. Doch er durfte seinen Führer nicht im Stich lassen.
    Auf einen Blick erkannte er, dass ihm keinerlei Gefahr drohte. Es war eine deutsche Maschine, eine zweisitzige Junkers J1. Der Aufklärer würde ihm Deckung bieten.
    Sie hatten den brennenden Wald hinter sich gelassen. Vor ihnen erstreckte sich schnurgerade eine Straße. Spiegelglatte Seen warfen den Feuerschein zurück. Stalhein spreizte die Schwingen, ließ sich vom Nachtwind bremsen statt vorantreiben, und setzte zur Landung an. Sie schlugen auf dem Boden auf, der Graf entglitt ihm, und er rollte in einem wüsten Durcheinander aus Armen, Flügeln und Beinen über ein Feld.
    In der sicheren Annahme, dass er sich alle Knochen gebrochen
hatte, drehte er sich um und versuchte sich zu orientieren. Im Gegensatz zur ruhigen Luft war der Erdboden schwankend und unsicher. Er hob und senkte sich wie das Deck eines Schiffes in sturmgepeitscher See.
    Die Junkers kreiste wie ein Schutzgeist über ihm.
    Stalhein sah, wie Dracula aufstand und seine Uniform abklopfte. Er begriff noch immer nicht, weshalb die Attila geopfert worden war, weshalb ein Luftschiff Selbstmord begangen hatte. Der Graf baute sich vor Stalhein auf und blickte zu ihm herab. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos, doch Stalhein erkannte sofort, dass er benommen war. Bei jedem anderen hätte man derlei als Frontneurose abgetan. Bei Dracula war das undenkbar.
    Das Feld war keineswegs verlassen. Männer schrien auf Englisch. Schüsse krachten. Stalhein fuhr zusammen.
    Er blickte auf und sah, dass Dracula verwundet war. Seine Brust war blutgetränkt.
    »Sterben«, verkündete er theatralisch, »wirklich tot sein …«
    Sie waren von Schattenmännern umzingelt. Die Junkers beharkte vergeblich, mehrere Hundert Fuß entfernt, das Feld. Silber schimmerte im Licht. Aufgepflanzte Bajonette nahten.
    Der Graf versuchte immer noch zu sprechen.
    »Armer Béla«, murmelte er, kaum verständlich. »Der Vorhang fällt.«
    Die Klingen sausten hernieder, stachen in den reglosen Vampir, durchschlugen Hals und Rippen. Stalhein konnte seinem Herrn und Meister nicht helfen. Seine Flügel waren geknickt, und er hatte sich ein Bein gebrochen. Wenige Minuten nur, und seine Knochen wären wieder heil. Doch diese wenigen Minuten blieben ihm nicht mehr.
    Der Feind riss Dracula in Stücke und verstreute ihn über das Feld. Da bemerkten sie den abgestürzten Flieger. Schaudernd vor Entsetzen beim Anblick seiner traurigen Gestalt, traten sie
näher. Silberspitzen gruben sich in seine Brust. Die britischen Soldaten empfanden beinahe Mitleid, als sie ihm das Herz durchbohrten.

44
Kagemusha Monogatari
    C roft entfernte das schwarze Oval der Attila eigenhändig von der Karte. Ein triumphierendes Lächeln spielte um seine Lippen.
    »Gentlemen«, verkündete er, »Dracula ist tot. Man wird uns seinen Kopf in Kürze überbringen.«
    Beauregard hörte diese Worte nicht zum ersten Mal. Auch Vlad Tepes hatte man nach seinem Tod angeblich enthauptet und den Kopf dem Sultan überbringen lassen. Und doch hatte er überlebt.
    Crofts Nachricht ging in der allgemeinen Hektik unter. Haig und Pershing machten sich die Ehre streitig, mit den Leichen ihrer Soldaten die Breschen in den Schützengräben geschlossen zu haben. Der Hörer des Telefons,

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