Die Vampire
glitt sie über seine Hüfte, streckte ein Bein zwischen seine Beine, legte einen Arm über seine Brust. Ihre Hand kroch in seine Achselhöhle und hinter seiner Schulter hinauf.
Marcello regte sich im Schlaf.
Sein Herzschlag war ein stetes Klopfen in ihrem Kopf. Wie eine Süchtige, eine arme Teufelin, unterlag sie dem Zwang, den Kreis zu schließen, mit ihrem Geliebten eins zu werden. Sie öffnete weit den Mund und fand im fleischigeren Teil seines Oberkörpers, neben einer leicht behaarten Brustwarze, einen der frischeren Bisse. Ihre scharfen Zähne sanken mühelos in die Rinnen, die sie zuvor gemacht hatten. Kate bearbeitete die Wunde mit der Zunge, presste, bis Blut aufwallte, in ihre Kehle rann.
Sie spürte die Woge im Herzen, im Kopf.
Das Blut ließ sie vergessen.
Während sie trank, erwachte Marcello aus den Tiefen seiner Ohnmacht und fuhr mit den Händen ihren Rücken hinab, streichelte ihre Taille, ihren Po. Sie bog sich ein wenig unter den Laken, und er führte seinen Penis ein.
Sie lenkte ihrer beider Rhythmus mit dem Mund und den Hüften, um Blut zu saugen und Samen hervorzulocken, gezeitenartig, zyklisch. Nach all diesen Jahren wusste sie nicht mehr, wie die körperliche Liebe als warmblütiges Mädchen gewesen war - sie
hatte es nur einmal dazu gebracht, mit ihrem Fangvater, Mr. Harris. Aber die Verwandlung hatte definitiv die Bandbreite der Freuden erweitert, die sie geben und empfangen konnte.
Marcello schrie auf, und sein ganzer Körper streckte sich, spannte sich an, als wären seine Sehnen Klaviersaiten. Einen Moment lang glaubte sie, ihn getötet zu haben, aber das Blut, das in ihren Mund floss, war reichhaltig und voller Leben.
Er erschlaffte unter ihr, erschöpft bis zur Bewusstlosigkeit.
Sie wollte mehr von ihm und nagte an seiner Brust bis fast zum Knochen.
Wenn sie so weitermachte, würde sie bestimmt vergessen.
17
Geneviève in Trauer
S ie wusste nicht, wie lange sie noch in Rom bleiben sollte. Sie musste sich um Charles’ Sachen kümmern, dafür sorgen, dass sie seinem Letzten Willen entsprechend verteilt wurden. Als Testamentsvollstreckerin würde sie bald nach London müssen, aber auch dort würde sie wohl nicht bleiben. Sobald sie ihren Pflichten nachgekommen war, zog sie besser in ein Land, das sie nicht mit ihm in Verbindung brachte. Es gab immer noch ein paar Weltgegenden, in denen sie nie gelebt hatte. Samoa. Tierra del Fuego. Der Pazifische Nordwesten. Swansea in Wales.
Die Wohnung war leer. In ihrem Kopf herrschte Stille, wo ein unablässiges Flüstern gewesen war. Zum ersten Mal seit Jahren war Geneviève allein. Das Weinen hatte nur ein paar Tage gedauert. Dann war die Kälte gekommen. Diesmal hielt der Schmerz sie fest wie ein Schnappeisen.
Kate war keine Hilfe. Die arme Kleine war völlig aufgelöst mit einem warmen italienischen Körper davongelaufen. Penelope erwies sich überraschenderweise als sehr mitfühlend. Sie hatte Telefonanrufe erledigt, um die Beerdigung in die Wege zu leiten, hatte es auf sich genommen, Telegramme an Charles’ überlebenden Neffen, der schon zu alt war, um zur Beerdigung zu kommen, sowie an seinen einstigen Schützling Edwin Winthrop zu schicken, der zusammen mit seiner Lebensgefährtin Miss Catriona Kaye quer durch Europa hierhergekommen war.
Winthrop war der Meinung gewesen, dass Charles ein Staatsbegräbnis erhalten sollte, in Westminster Abbey. Anhand von Kates Erzählungen hatte Geneviève sich von ihm das Bild eines Manipulators gemacht, der wie eine Spinne in seinem Netz hockte, eines rücksichtlosen Nachfolgers, der Charles vielleicht sogar hintergangen hatte. Mit diesem gut aussehenden, freundlichen alten Herrn, der seinen verstorbenen Freund eindeutig als Helden verehrte und tief von dessen erwartbarem Hinscheiden getroffen war, hatte sie nicht gerechnet.
Die Trauerfeier war in bescheidenem Rahmen gewesen. Von Charles’ warmblütiger Generation war niemand mehr übrig. Allerdings waren aus allen Teilen des Erdballs Telegramme gekommen, darunter offensichtlich ernst gemeinte Achtungsbezeugungen aus dem Haus der Königin - die ein sehr gutes Gedächtnis hatte - und von Sir Winston Churchill. Es gab sogar eine durch Boten überbrachte, schwarz gerahmte Kondolenzkarte, unter deren aufgedruckter Beileidsbekundung mit dickem Strich ein »D« gepinselt war.
Sie ordnete die Telegramme und Karten. Sie würden in den letzten der vielen Kartons mit Papieren kommen, die sie Winthrop für das Geheimarchiv des Diogenes-Clubs
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